1. Startseite
Logo

Netzwerk für Frauen, die Opfer von Gewalt werden

Wie lässt sich Frauen helfen, die psychisch krank und Opfer von häuslicher Gewalt sind? Die Frage stand bei einer Fachtagung des Vereins Frauen für Frauen im Mittelpunkt. Die Veranstaltung fand im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projektes „Leiko – Das Leitlinienkonzept“ statt.

Ludwigsburg. Bei dem Projekt, das über drei Jahre läuft, soll herausgefunden werden, wie Frauen mit psychischen Erkrankungen, mit Suchtproblematik sowie mit geistigen und körperlichen Behinderungen in das Hilfesystem eingebunden werden können. Bisher werden diese Frauen in dem bestehenden Hilfenetz nur unzureichend berücksichtigt.

Das Ziel besteht nicht darin, neue Angebote zu schaffen, sondern die im Landkreis Ludwigsburg bestehenden Strukturen besser miteinander zu vernetzen. Im Anschluss an die Fachtagungen, die sich unterschiedlichen Aspekten widmen, sollen die Erkenntnisse aufgearbeitet, diskutiert und verändert werden, und schließlich als Leitlinien den beteiligten Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden.

Am Freitag beleuchteten Referenten vom Psychosozialen Netzwerk, von der Karlshöhe sowie vom Beratungszentrum Häusliche Gewalt das Thema. Aus Berlin war Dr. Katrin Körtner, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, angereist. Sie arbeitet am dortigen Jüdischen Krankenhaus. „(Ex-)Partnergewalt und psychische Erkrankungen“ hatte sie ihren Vortrag überschrieben. Den Begriff Partnergewalt findet sie treffender als häusliche Gewalt. Suchtkonzepte greifen ihrer Meinung nach nicht, wenn die Frauen Gewalterfahrungen in Kindheit oder Partnerschaft gemacht haben oder an einer Borderlinestörung leiden, so die Expertin.

Studien hätten gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Gewalterfahrungen sowie körperlichen und seelischen Erkrankungen gebe. Das Risiko steigt um ein sechsfaches bei Partnergewalt. „Das wird oft unterschätzt“, so die Psychiaterin. Außerdem machen Frauen, die seelisch erkrankt oder behindert sind, häufiger Gewalterfahrungen in ihrem näheren Umfeld. Dabei verfügt psychische Gewalt wie verbale Attacken, Herabsetzen und Dominanzverhalten der Männer ein ähnlich hohes Schädigungspotenzial wie sexuelle Gewalt. 31 bis 90 Prozent der suchtkranken Frauen haben Gewalterfahrungen gemacht. Dies erhöht das Risiko, an Depressionen oder Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) zu erkranken. Den Zusammenhang zwischen seelischen Erkrankungen erklärte die Expertin damit, dass durch den Konsum von Alkohol und anderen Drogen negative Gefühle reduziert werden. Der Substanzkonsum ist quasi eine Form der Selbstmedikation.

Auf der anderen Seite führt die Sucht zu einer Zunahme seelischer Beschwerden und einer Verfestigung der Lebensbedingungen. Frühere Traumatisierungen fördern das Risiko, sich in eine Beziehung zu begeben, in der Gewalt eine Rolle spielt. Ausführlich beleuchtete Katrin Körtner die Symptome, an denen sich erkennen lässt, ob jemand unter PTBS leidet, und erläuterte einige Fallbeispiele. „Viele Frauen funktionieren jahrelang, bis das System durch ein einschneidendes Ereignis zusammenbricht“, schilderte sie ihre Erfahrungen.

Die Fachtagung bot neben Vorträgen auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zu Diskussionen.