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Analyse
Eine erste und letzte Chance

In der Diskussion um die Einrichtung eines Jugendgemeinderats rennt die Zeit davon. Heute müssen die Stadträte Weichen stellen – sonst könnte das Projekt am Ende sein.

Ludwigsburg. Wenn der Sozialausschuss des Gemeinderats heute Nachmittag zusammentrifft, könnte es hinter den Rathausgemäuern hitzig zugehen. Denn was sich als Tagesordnungspunkt Nummer eins so harmlos unter „Ergebnisse des Jugendhearings“ verbirgt, ist weit mehr als eine gewöhnliche Mitteilungsvorlage, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt. Tatsächlich ist es heute an Verwaltung und Stadträten, den vielen Worten Taten folgen zu lassen und noch in diesem Sommer die Weichen zu stellen für mehr politische Beteiligung Jugendlicher. Denn: Es könnte die erste und letzte Chance für einen Ludwigsburger Jugendgemeinderat sein.
Das Thema brodelt schon länger vor sich hin. Vor ziemlich genau fünf Jahren, im Mai 2011, brachten die Freien Wähler einen Antrag ein, die Stadt möge Vorschläge für die Einrichtung eines Jugendgemeinderats unterbreiten. Der Vorstoß wurde damals mehrheitlich abgelehnt. Erst mit Gründung einer Schülerinitiative am Otto-Hahn-Gymnasium im Frühjahr 2015 hat das Thema wieder unverhofft Fahrt aufgenommen. Das etwa 30-köpfige Planungskomitee ist umtriebig: Mitglieder wurden bei den Fraktionen vorstellig, beteiligten sich an Diskussionen, entwickelten Ideen.
Im Dezember vergangenen Jahres gab der Gemeinderat das Signal: Diesmal auf Antrag der SPD wurde ein kleiner Etat bereitgestellt, um die Möglichkeiten eines Jugendgemeinderats auszuloten. Die Stadträtinnen Gabriele Moersch (Freie Wähler), Annegret Deetz (SPD) und Laura Wiedmann (Grüne) fungieren seither gewissermaßen als Patinnen für die Jugendlichen. Es gab Treffen mit OB Werner Spec und Mitarbeitern des Fachbereichs Bildung und Familie, ein Jugendhearing Anfang Juni sollte mehr Klarheit in einige Detailfragen bringen.
Doch hier liegt das Problem: Das Thema Jugendbeteiligung ist komplex. Dringend geklärt werden müssten Fragen wie: Sollen ausschließlich Ludwigsburger Jugendliche wahlberechtigt sein – oder alle Jugendlichen, die, etwa als Schüler von außerhalb, ihren Lebensmittelpunkt in der Stadt haben? Wie viele Mitglieder soll ein solches Gremium haben? Und welche Befugnisse? Und das Budget?
Die Ergebnisse, die heute im Ausschuss vorgestellt werden, liegen zwar nicht vorab vor, Überraschungen dürfte es aber kaum geben. Eine TED-Umfrage beim Jugendhearing ergab, dass 83 Prozent der Anwesenden einen Jugendgemeinderat möchten, nur 34 Prozent einen Jugendbeirat, der deutlich weniger Befugnisse haben dürfte (wir berichteten). Repräsentativ sind die Ergebnisse natürlich nicht, und dennoch ist spätestens jetzt, da die Stadt das Hearing in sein Instrumentarium aufgenommen hat, klar: Die Jugendlichen wollen das Projekt, die Fraktionen wollen es – und die Verwaltung will den Weg konstruktiv begleiten. Eigentlich.
Doch bei den Planungen, so scheint es, geht es nicht voran. Und das Zeitfenster schrumpft: Zwar hat die Verwaltung betont, dass der Startzeitpunkt frei wählbar sei, dennoch scheint der Schuljahresbeginn klar am geeignetsten zu sein. Gleichzeitig droht sich das Personalkarussell weiterzudrehen. Viele der engagierten Jugendlichen, mehrheitlich Gymnasiasten, eilen der Volljährigkeit entgegen. Wenn es erst im Herbst 2017 losginge: Wer weiß, ob sie noch für eine Legislaturperiode von zwei Jahren verfügbar wären.
Wenn im Herbst Wahlen stattfinden sollen, müssen bis zum Beginn der Sommerpause klare Entscheidungen getroffen werden. Sollte das Projekt politische Teilhabe scheitern, wäre das für eine Stadt, die etwa von den Kulturtreibenden immer mehr Einsatz für die kulturelle Bildung von Schülern einfordert, nicht weniger als eine Blamage.