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Neptunas Klaipeda
Gast im Brasilien des Basketballs

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Ihr Herz schlägt für BC Neptunas: In Klaipeda spielt der Basketball eine herausragende Rolle im Alltag der Fans. Foto: privat
Litauens Nationalstolz schlägt sich in den Basketball-Arenen des Landes besonders nieder – auch in Klaipeda

Ludwigsburg. Gerade einmal ein Dutzend Fans hatte am vorigen Mittwoch die 1200 Kilometer weite Reise von Klaipeda nach Ludwigsburg gewagt. Mit litauischer Nationalflagge und den Vereinsfahnen von BC Neptunas unterstützten sie ihr Team im Hinspiel des Champions League-Achtelfinales leidenschaftlich, aber angesichts ihrer überschaubaren Anzahl doch eher kleinlaut.

Wenn die MHP-Riesen heute Abend in der 160 000 Einwohner zählenden baltischen Ostseemetropole zum Rückspiel auflaufen, wird es auf den Rängen der 6000 Zuschauer fassenden Svyturio Arena wohl deutlich lebhafter zugehen. Nicht zuletzt deswegen, weil der Kern der Mannschaft von Klaipeda vornehmlich aus litauischen Spielern besteht.

Das Zwölf-Punktepolster allein wird nach dem 73:61-Hinspielerfolg also keineswegs ein Garant für das Weiterkommen der Ludwigsburger sein. „Das Spiel geht bei 0:0 los und nicht bei plus zwölf“, warnte Riesen-Trainer John Patrick eindringlich vor Überheblichkeit.

Auch heute gilt Litauen trotz seiner nur knapp drei Millionen Einwohner als Großmacht im Basketball und wird auch gerne als das Brasilien des Basketballs bezeichnet. „In Litauen ist die Kräfteverteilung der Sportarten genau umgekehrt: Basketball ist hier ganz klar die Nummer eins, Fußball hat eine Nebenrolle“, erkannte der ehemalige Bundestrainer Dirk Bauermann schon vor drei Jahren, als er beim litauischen Topverein Lietuvos Rytas (Vilnius) anheuerte.

60 Basketballschulen im Land

Auch in Klaipeda, hinter Žalgiris Kaunas und Rytas die dritte Basketball-Kraft im Land, spielen die Kinder in den Schulen und in ihrer Freizeit Basketball. Litauen ist die Heimat unzähliger Stars und bringt immer wieder neue Talente hervor. Es gibt circa 60 Basketballschulen im Land. In den Stadien, wenn die Litauer ihre Nationalhymne lauthals mitsingen, herrscht Gänsehautstimmung. Egal ob bei Spielen der Nationalmannschaft oder im Europapokal – die ganze Nation steht geschlossen hinter ihrer Mannschaft, Basketball wird fast wie eine Religion zelebriert.

Goldenes Zeitalter in den 80ern

Die Liebe zum Basketball rührt aus der litauischen Geschichte. Im Jahr 1937 gewann die litauische Nationalmannschaft in Riga zum ersten Mal die Europameisterschaft. Die Heimreise der Mannschaft soll damals viele Stunden gedauert haben, denn in jedem Dorf soll der Zug von den jubelnden Dorfbewohnern angehalten worden sein.

Als Stalins Truppen 1940 das Land stürmten und die 50 Jahre währende russische Besetzung Litauens begann, war die ungetrübte Freude über den Erfolg im Basketball vorbei. Das goldene Zeitalter lebte erst in den 80er-Jahren wieder auf und ist für die Litauer sehr eng mit dem Namen Arvydas Sabonis verbunden. Ihn halten die Litauer für den größten Spieler aller Zeiten. Mit ihm wurde Žalgiris dreimal Meister der UdSSR. Danach spielte Sabonis in der NBA. Als er 1988 mit der sowjetischen Mannschaft Olympiasieger in Seoul wurde, trug er ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Lietuva“ (Litauen) auf seiner Brust. Die Erfolgsgeschichte setzte sich nach der Unabhängigkeit Litauens fort. Gleich dreimal in Folge – 1992, 1996 und 2000 – gewann Litauen die Bronzemedaille bei Olympischen Spielen.

Wie stolz und unberechenbar – und damit gefährlich – das Team von Trainer Dainius Adomaitis, der seit 2016 auch die litauische Nationalmannschaft betreut, sein kann, zeigte sich am vergangenen Wochenende. Neptunas gewann beim Rekordmeister Žalgiris unerwartet deutlich mit 78:69. Die Riesen sollten – trotz ihres komfortablen Vorsprungs – auf der Hut sein.