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Justiz
BGH bestätigt: Falk muss für Schuss auf Anwalt ins Gefängnis

Alexander Falk
Alexander Falk (M) kommt in Begleitung von Justizbeamten in den Gerichtssaal des Landgerichts in Frankfurt/Main. Foto: Arne Dedert
2010 schießt ein Unbekannter einem Frankfurter Wirtschaftsanwalt ins Bein. Jahre später wird der einstige Börsenstar Alexander Falk als Drahtzieher verurteilt. Er selbst hat sich nie schuldig bekannt.

Karlsruhe. Als junger Mann war Alexander Falk einer der reichsten Deutschen und Star der «New Economy» - jetzt muss er aller Voraussicht nach bereits zum zweiten Mal ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf am Mittwoch die Revision des Hamburger Verleger-Erben gegen seine Verurteilung zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe. Damit ist rechtskräftig festgestellt, dass Falk Kriminelle auf einen ihm verhassten Wirtschaftsanwalt angesetzt hat - um diesen zu überfallen und anzuschießen.

Die Geschichte klingt fast schon filmreif. Das Geld aus dem Verkauf des bekannten Stadtplan-Verlags seines Vaters hatte Falk (heute 53) sehr erfolgreich in Internetunternehmen investiert. Zwischenzeitlich stand er auf der Forbes-Liste der 100 reichsten Deutschen. Dann der tiefe Fall: 2008 wird Falk wegen versuchten Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt - weil er den Wert seiner Firma durch Scheingeschäfte geschönt und diese zu einem überhöhten Preis verkauft hatte.

Schuss aus nächster Nähe

In der Folge sah sich Falk Schadenersatz-Forderungen in Millionenhöhe ausgesetzt. Der später angegriffene Anwalt hatte für die Gegenseite gearbeitet. Als er im Februar 2010 vor seinem Haus in Frankfurt in sein Auto steigen will, schießt ihm ein Unbekannter aus nächster Nähe in den Oberschenkel. Zuvor hatte es schon anonyme Anrufe gegeben, einmal war die Eingangstür mit einem Hammer eingeschlagen worden.

Die Ermittler tappen jahrelang im Dunkeln - bis 2017 ein Kronzeuge auftaucht, der Falk belastet. Der polizeibekannte Mann profitiert von seiner Aussage, denn die frühere Großkanzlei des Anschlagsopfers hatte eine Belohnung von 100.000 Euro ausgelobt.

Falks Frau hatte im Prozess am Frankfurter Landgericht ausgesagt, die Familie sei von dem Mann erpresst worden. Tatsächlich stellt sich eine Tonbandaufnahme, die als zentrales Beweismittel galt, als teilweise manipuliert heraus. Das Landgericht gelangt in seinem Urteil vom 9. Juli 2020 trotzdem zu der Überzeugung, dass Falk die Tat bei einem kriminellen Brüderpaar aus der Türkei in Auftrag gegeben hat - aus Wut, Rache und gekränkter Ehre.

Ominöse SMS

Eine wichtige Rolle spielt dabei eine SMS, die Falk fünf Tage vor der Tat erhalten hatte. Der Absender teilt ihm mit, dass «die Oma» demnächst ihren «verdienten Kuraufenthalt» bekommen werde.

Falk selbst hatte zu Prozessbeginn gesagt, er sitze für eine Tat in Untersuchungshaft, die er nicht begangen habe. «Einen feigen Anschlag in Auftrag zu geben, widerspricht allem, was mir wichtig ist, meiner Erziehung, meinen Werten, meinem Sportsgeist.» Er habe nur den Auftrag erteilt, von dem Anwalt oder anderen Kanzleiangehörigen Daten zu beschaffen, um damit seine Unschuld beweisen zu können.

Die Frankfurter Richter hatte er damit nicht überzeugt. Und auch die obersten Strafrichter in Karlsruhe sehen keinen Rechtsfehler.

Falks Verteidiger hatten vor allem beanstandet, dass ihr Mandant am Ende wegen einer anderen Straftat verurteilt worden sei als der ursprünglich angeklagten. Anfangs hatte ihm die Staatsanwaltschaft Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Verurteilt wurde er am Ende wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung. Würde es sich um ein völlig anderes Geschehen handeln, wäre das ein Verfahrenshindernis.

Gegen die körperliche Integrität

Die BGH-Richter teilten diese Bedenken aber nicht. In beiden Varianten sei es darum gegangen, das Opfer als Prozessgegner auszuschalten, sagte der Senatsvorsitzende Ulrich Franke bei der gut halbstündigen Urteilsverkündung, der Falk fernblieb. Und beide Straftaten richteten sich gegen die körperliche Integrität.

Außerdem hatten Falks Anwälte gerügt, dass die beiden türkischen Brüder, die sich inzwischen in ihrem Heimatland aufhalten, vom Landgericht nicht wie beantragt per Videoschalte befragt wurden. Hier zog der BGH zwar die Begründung der Frankfurter Richter in Zweifel. Franke sagte aber, im Ergebnis sei davon auszugehen, dass das nichts an dem Urteil geändert hätte. Die Brüder hätten nicht befragt werden wollen - und als Mit-Verdächtige vermutlich auch nicht viel gesagt.

Falks Anwalt Björn Gercke kritisierte das. «Niemand kann wirklich sicher ausschließen, dass es jedenfalls bei Vernehmung der angeblichen Auftragnehmer nicht zu einem Freispruch gekommen wäre», teilte er mit. Das Urteil sei nun «nur noch einer Überprüfung auf etwaige Verletzung von Verfassungsrecht bzw. gegebenenfalls der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zugänglich».

An der Rechtskraft würde das Einlegen einer Verfassungsbeschwerde aber nichts ändern. Falk hatte 22 Monate in U-Haft gesessen. Diese Zeit wird auf die Haftstrafe angerechnet. Eine Aussetzung der restlichen Haft zur Bewährung ist normalerweise erst möglich, wenn zwei Drittel der Strafe abgesessen sind - hier also ungefähr 36 Monate. Damit ist davon auszugehen, dass Falk, der seit dem Frankfurter Urteil frei war, bald wieder ins Gefängnis muss.

© dpa-infocom, dpa:221123-99-625157/5