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Streit unter Nachbarn
Bund will gegen Österreichs Fahrverbote klagen

Autobahnauffahrt
In Tirol hat die Polizei auch am Sonntag die neuen Fahrverbote auf Ausweichstrecken durch Ortschaften durchgesetzt. Foto: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA
Kontrollen am Brenner
Österreichische Polizisten kontrollieren Fahrzeuge am Brennerpass. Foto: Angelika Warmuth
Autobahn 13 in Gries
Autos und LKW fahren über den Brenner (Autobahn A13). Foto: Sven Hoppe/Archivbild
Fahrverbote in Tirol
Hier geht's nicht weiter: Ein Polizist hält Autos auf einer Straße bei Innsbruck an. Foto: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA
Brenner-Basistunnel
Die langfristige Lösung: Arbeiten in der westlichen Hauptröhre des Brenner-Basistunnels, der etwa ab 2028 die Tiroler Täler und Dörfer entlasten soll. Foto: Matthias Arnold
Brenner
Auch wenn es sich oft staut: Österreich will den Transitverkehr von Deutschland nach Italien nur noch über die Brenner-Autobahn leiten. Foto: Angelika Warmuth
Tirol
Brenner-Autobahn bei Gries: Die Tiroler Täler leiden seit vielen Jahren unter dem Transitverkehr. Foto: Sven Hoppe
Fahrverbote in Tirol
Ein Polizist steht vor einem Schild, das auf die Sperrung für den Verkehr mit Fahrziel Italien hinweist. Foto: Angelika Warmuth Foto: dpanitf3
Fahrverbote in Tirol
Ein Auto wird von einem Beamten bei einer Autobahnauffahrt nahe Innsbruck angehalten. Das Bundesverkehrsministerium bereitet eine Klage gegen Österreich vor. Foto: Zeitungsfoto.At/Daniel Liebl/APA
Deutschland und Österreich geben sich gerne als gute Nachbarn, doch beim Verkehr hört die Freundschaft auf. Probleme bei der Lkw-Abfertigung, Fahrverbote und Streit bestimmen den Ton. Das nächste Kapitel ist in Arbeit.

München (dpa) - Kurz nach der Pleite für die deutsche Pkw-Maut geht der Streit zwischen Deutschland und Österreich über den Transitverkehr in die nächste Runde.

Das Bundesverkehrsministerium bereitet eine Klage gegen das EU-Nachbarland vor, wie Minister Andreas Scheuer (CSU) am Montag vor der Sitzung des CSU-Vorstands in München sagte. «Zutiefst diskriminierend» sei die sogenannte Blockabfertigung von Lkw an der Tiroler Grenze sowie die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr. In Österreich wird die bayerisch-deutsche Empörung nur mit einem Schulterzucken quittiert. Beim Verkehr, so scheint es, hört die deutsch-österreichische Freundschaft auf.

Immer wieder - meist an erwartbar verkehrsreichen Tagen - lässt das österreichische Bundesland Tirol nur bis zu 300 Lkw pro Stunde aus Bayern Richtung Innsbruck durchfahren, um die eigene Autobahn zu entlasten. Die Verantwortlichen sagen, das sei unter anderem nötig, um die Bevölkerung vor Abgasen und Lärm zu schützen.

Dadurch stauen sich Lkw auf deutschen Straßen auf vielen Kilometern vor der Grenze. Seit einigen Tagen stoppt Tirol zudem durchreisende Autos, die etwa wegen Staus oder der Maut die Autobahn vermeiden und über die Dörfer fahren wollen. Die Maßnahme soll an allen Wochenenden bis Mitte September gelten.

Tirols Landeschef Günther Platter (ÖVP) sieht einer deutschen Klage gelassen entgegen. «Unsere Maßnahmen sind zu 100 Prozent EU-rechtlich gedeckt», sagte Platter nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Aus seiner Sicht sei es sinnvoller, an Maßnahmen für die Bevölkerung zu arbeiten statt an einer Klage. «Wir haben diese Maßnahmen nicht aus Jux und Tollerei verhängt, es sind vielmehr Notmaßnahmen, um die Verkehrs- und Versorgungssicherheit in unserem Land zu gewährleisten.»

Scheuer, der nach dem Aus für die Pkw-Maut innenpolitisch unter Druck steht, sagte, er habe für eine Klage gegen Österreich alles in die Wege geleitet und müsse diese nur noch in der Koalition besprechen. Einen genauen Zeitplan gibt es dafür aber zunächst nicht. Damit die Klage kommen kann, muss das Kabinett zustimmen.

So frisch Scheuers Empörung an diesem Morgen auch ist, der Streit um Transitfragen zwischen Bayern und Tirol ist es nicht. Da ist nicht nur der Prozess gegen die deutsche Maut, seit annähernd zehn Jahren bekriegen sich beide Länder um den sogenannten Brenner-Basistunnel für den Eisenbahngüterverkehr von Norden nach Süden.

Während in Österreich schon seit 2007 gebaut wird, ist in Deutschland noch nicht einmal endgültig beschlossen, ob eine neue zweigleisige Strecke durch das Inntal überhaupt gebaut wird. Bisher hat die Deutsche Bahn nur einen Planungsauftrag.

Hier sieht auch CSU-Chef Markus Söder Fehler auf deutscher Seite: Um das hohe Verkehrsaufkommen in Inntal zu verringern, will er wie Scheuer einen Teil des Verkehrs von der Straße auf die Schiene verlagern. Doch genau daran hapert es seit Jahren.

Platter rechtfertigt die Lkw-Blockabfertigung genau mit dieser Verzögerung von deutscher Seite: Deutschland habe sich immerhin vertraglich verpflichtet, die Kapazitäten anzupassen. Durch den Tunnelausbau könne in Österreich aber nicht nur das Verkehrsaufkommen auf der Autobahn reduziert werden, auch die Bahnverbindung zwischen Kufstein und Innsbruck würde schneller werden.

Söder unterstützt Scheuers Pläne. Das Verhalten Tirols bezeichnete der bayerische Ministerpräsident als «enttäuschend». Man wolle im Gespräch mit Österreich bleiben, müsse aber auch die juristische Frage klären. Fahrverbote in Bayern schloss Söder aber kategorisch aus. Solche Gegenmaßnahmen seien «albern».

Söder und Scheuer sind sich außerdem einig, dass die Blockabfertigung gegen EU-Recht verstößt. Mit Blick auf die Maut-Klage Österreichs gegen Deutschland erklärte Söder zudem: Es könne nicht sein, dass Österreich der Auffassung sei, eine deutsche Maut behindere die Reisefreiheit, aber gleichzeitig werde Österreich für die Durchfahrt abgeriegelt. «Am Ende brauchen wir aber eine europaweite Lösung für alle», sagte er, «weil natürlich dieses ganze System auf Dauer nur dazu geeignet ist, Nachbarschaften zu belasten und im Endeffekt in Kleinstaaterei zu verfallen.» Dies sei für Europa «gerade in dieser Zeit eigentlich der total falsche Ansatz».

Söder vermutet, dass der Tiroler Alleingang auch mit dem Machtvakuum in Wien zu tun hat. Nach dem Sturz von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist eine Interimsregierung im Amt.

Österreichs aktueller Verkehrsminister Andreas Reichhardt sieht das offenbar anders: «Der Bundesminister hat grundsätzlich Verständnis für die Tiroler Bevölkerung», sagte seine Sprecherin Elisabeth Hechenleitner in Wien. Zudem gehe Reichhardt aber auch davon aus, dass sich das Land Tirol bei der Einführung von Fahrverboten auf Ausweichstrecken an Wochenenden europarechtlich abgesichert habe.