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Kindesentziehung
Drama von Paraguay: Baldige Rückkehr der Kinder erwartet

Stephan Schultheiss
Kindesentziehung in Paraguay: Anwalt Stephan Schultheiss hat endlich gute Nachrichten. Foto: Nath Aguilar
Ein deutsches Paar taucht in Südamerika unter. Mit ihm verschwinden zwei Kinder aus früheren Beziehungen. Die zurückgebliebenen Eltern suchen verzweifelt. Nun gibt es für sie gute Neuigkeiten.

Asunción/Düsseldorf. Nach dem Ende des Dramas um die Kindesentziehung in Paraguay rechnet Rechtsanwalt Ingo Bott mit einer baldigen Rückkehr der beiden Mädchen aus Südamerika nach Deutschland.

«Es ist zu erwarten, dass alle Beteiligten, die Kinder, die bisherigen Kindesentzieher und unsere Mandanten, zeitnah zurückkehren. Wir befinden uns in durchgehendem Austausch mit den deutschen Behörden. Alles geht seinen guten und richtigen Weg», teilte Botts Düsseldorfer Kanzlei Plan A am Freitagmittag mit.

Die monatelange Suche nach den zwei deutschen Mädchen war am Donnerstag (Ortszeit) erfolgreich zu Ende gegangen. Das wegen Kindesentziehung in Paraguay gesuchte deutsche Auswanderer-Paar stellte sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft in dem südamerikanischen Land im Grenzgebiet zu Argentinien den Behörden und übergab die Kinder. «Beide (Mädchen) sind in gutem Zustand», wurden die Ermittler in der Mitteilung zitiert.

«Die Suche ist zu Ende»

«Jetzt ist alles in Ordnung. Die Suche ist zu Ende. Die Flucht ist zu Ende», hieß es in einem Schreiben des Anwalts Stephan Schultheiss in Paraguay. «Jetzt sind alle glücklich.» Das Paar sei freiwillig vor Polizei und Staatsanwaltschaft erschienen und habe die Kinder übergeben. Die zehn und elf Jahre alten Mädchen befänden sich jetzt in der Obhut der paraguayischen Behörden. Die Polizei veröffentlichte Bilder der Geflüchteten mit Beamten und dem Anwalt. Die Zeitung «ABC Color» zitierte den Polizeikommissar Mario Vallejos mit den Worten: «Das gewünschte Ziel wurde erreicht.»

Die von den Anwälten Bott und Schultheiss vertretenen und zunächst in Deutschland zurückgebliebenen Elternteile waren ebenfalls involviert und ebenfalls noch in Paraguay, um dort ihre Kinder wieder in die Arme zu schließen. Wann und wo die Beteiligten in Deutschland ankommen, ist noch unklar und wird dem Vernehmen nach wohl auch nicht vorher kommuniziert.

Ohne Zustimmung ausgewandert

Der Vater des einen Mädchens und die Mutter des anderen Mädchens sind in zweiter Ehe miteinander verheiratet und waren im November vergangenen Jahres mit den beiden Kindern ohne die Zustimmung ihrer jeweiligen Ex-Partner nach Paraguay ausgewandert.

Das flüchtige Paar hatte bei seiner Abreise im November 2021 der suchenden Mutter zufolge einen Abschiedsbrief hinterlassen. Darin schrieben die beiden demnach, dass es in Deutschland keine Zukunft für die Mädchen mehr gebe, dass sie sie nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen.

Gegen das Paar lag nach Angaben der paraguayischen Staatsanwaltschaft ein über die internationale Polizeibehörde Interpol verbreiteter Haftbefehl vor. Sollten die beiden - wie angekündigt - ebenfalls nach Deutschland zurückkehren, droht ihnen ein Verfahren, das federführend von der Staatsanwaltschaft Essen geführt wird.

Ein halbes Jahr kein Kontakt

Schultheiss sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, er habe sich an einem nicht genannten Ort mit dem gesuchten Paar und den Mädchen getroffen. Nachdem es zuvor mehr als ein halbes Jahr keinen Kontakt und auch kein Lebenszeichen von den Flüchtigen und den Kindern gegeben habe, hätten die Gesuchten vergangenen Freitag verschlüsselt Kontakt über einen Messengerdienst aufgenommen, hieß es. «In vielen Gesprächen reifte die Erkenntnis, dass eine Beendigung der Flucht die einzige Option darstellt - insbesondere für das Kindeswohl», erklärten die Anwälte weiter.

Zuletzt hatte es den Anwälten zufolge «fruchtbare Gespräche gegeben». Die Mutter des einen und der Vater des anderen Mädchens, die aus Essen und München kommen, hätten mit ihren Kindern telefonieren können.

Die im Ruhrgebiet lebende Mutter des zehnjährigen Mädchens hatte in einer emotionalen Pressekonferenz vor Ort um Hilfe bei der Suche nach ihrem verschwundenen Kind gebeten. «Ich bin eine verzweifelte Mutter», sagte sie in der paraguayischen Hauptstadt Asunción. «Habt ein Herz für unsere Mädchen und helft uns bei der Suche.»

Viele Deutsche in Paraguay

Paraguay hat eine lange Tradition von Einwanderung aus Deutschland. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kamen viele Deutsche in das fruchtbare Land, um sich ein neues Leben aufzubauen. Während der Corona-Pandemie entwickelte sich Paraguay dann zu einem Dorado von Impfgegnern, Querdenkern und rechten Verschwörungsideologen. Allein im vergangenen Jahr ließen sich nach Angaben der Migrationsbehörde 3440 Deutsche in Paraguay nieder. Die deutsche Botschaft in Asunción schätzt, dass insgesamt etwa 26.000 Deutsche in Paraguay leben.

Als Einwanderungsland ist Paraguay attraktiv, weil Ausländer vor allem aus Europa recht einfach eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und auch Land oder Immobilien kaufen können. Für Impfgegner wurde Paraguay während der Corona-Pandemie interessant, weil man zunächst auch ohne Impfnachweis einreisen konnte. Viele Einwanderer lassen sich in den traditionellen deutschen Gemeinden wie San Bernardino, Hohenau und Bella Vista nieder. Zuletzt wurden aber auch neue Siedlungen von Auswanderern aus dem deutschsprachigen Raum gegründet.

© dpa-infocom, dpa:220610-99-611674/6