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Invasion in die Ukraine
G7: Putin «auf der falschen Seite der Geschichte»

Soldaten auf der Krim
Dieses von der russischen Staatsagentur Tass verbreitete Bild zeigt Uniformierte auf dem Weg zum Kontrollpunkt Perekop in der Nähe der Krim. Foto: Sergei Malgavko
Seit der Nacht herrscht Krieg in Europa: Russland hat die Ukraine angegriffen. Die großen Wirtschaftsmächte fordern ein sofortiges Ende - viele weitere Politiker auch.

Berlin/Washington. Die USA, Deutschland und fünf weitere führende demokratische Wirtschaftsmächte (G7) haben Russland am Donnerstag eindringlich aufgefordert, dass Blutvergießen in der Ukraine zu stoppen und seine Truppen aus dem Land abzuziehen.

«Präsident Putin hat den Krieg zurück auf den europäischen Kontinent gebracht. Er hat sich selbst auf die falsche Seite der Geschichte gestellt», heißt es in einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Siebenergruppe nach einer Videoschalte unter Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Deutschland führt in der Gruppe derzeit den Vorsitz.

Die G7 ruft die Weltgemeinschaft in der Erklärung auf, den russischen Angriff «in schärfster Weise» zu verurteilen und «Schulter an Schulter» mit der Ukraine zu stehen. Sie spricht von einem «völlig ungerechtfertigten» Angriff. «Er stellt eine ernsthafte Verletzung internationalen Rechts dar und einen schweren Bruch der Charta der Vereinten Nationen.» Die Krise sei eine ernsthafte Bedrohung der internationalen Ordnung mit Auswirkungen weit über Europa hinaus. «Es gibt keine Rechtfertigung, international anerkannte Grenzen gewaltsam zu verändern.»

Die sieben Staats- und Regierungschefs boten der Ukraine zudem humanitäre Hilfe an. Russland forderten sie auf, die Beobachter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in der Region nicht zu gefährden. Der G7 gehören neben den USA und Deutschland auch Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Japan an.

Biden berät mit Nationalem Sicherheitsrat

US-Präsident Joe Biden beraumte angesichts der Lage derweil ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrats an. Aus dem Weißen Haus hieß es am Donnerstag, Biden habe sich mit dem Team im «Situation Room», dem streng gesicherten Lagezentrum der US-Regierungszentrale in Washington, versammelt.

Biden will sich noch heute um 19.30 Uhr MEZ in einer Ansprache äußern. Das teilte das Weiße Haus in Washington mit. Biden hatte bereits kurz nach Beginn der Militäroffensive von einem «ungerechtfertigten Angriff» und einem «vorsätzlichen Krieg» gesprochen, den Russland angezettelt habe. Die USA und ihre Verbündeten würden Russland entschlossen dafür «zur Rechenschaft ziehen».

USA bereitet UN-Resolution gegen Russland vor

Die USA bereiten bei den Vereinten Nationen eine gegen Moskau gerichtete Resolution vor. An diesem Freitag soll es dazu in New York eine neue Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats geben, wie am Donnerstag aus Diplomatenkreisen verlautete. Die Resolution werde Russlands Aggression Russlands aufs Schärfste verurteilen, die Souveränität und territoriale Integrität sowie die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine bekräftigen, hieß es. Von Russland soll darin der sofortige Rückzug verlangt werden.

Da Russland als einer von nur fünf Staaten im Sicherheitsrat ein Veto hat, ist klar, dass die Resolution bei einer Abstimmung scheitern würde. Die USA und ihre westlichen Verbündeten hoffen jedoch, Moskau im Rat weitgehend zu isolieren - idealerweise bei einer Enthaltung der Vetomacht China und Zustimmung aller anderer Mitglieder des 15-köpfigen Gremiums. Peking war zumindest bei den UN in New York zuletzt zurückhaltend, seinen Partner Russland zu verteidigen.

Sollte die Resolution wie erwartet am Veto Moskaus scheitern, soll der Text nach Angaben mehrerer Diplomaten an die UN-Vollversammlung überstellt werden. Dort stimmen alle 193 Mitgliedsstaaten ab. Sie könnten die Entschließung mit einfacher Mehrheit annehmen.

Reaktionen aus dem Ausland

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron droht Russland mit schweren Folgen. «Auf diese Kriegshandlung werden wir ohne Schwäche antworten - kaltblütig, entschlossen und geeint», sagte er in einer Ansprache an die Nation. Die Sanktionen entsprächen der russischen Aggression. «Im militärischen und wirtschaftlichen Bereich wie im Energiesektor werden wir keine Schwäche zeigen.» Man werde Russland außerdem vor dem UN-Sicherheitsrat zur Rechenschaft ziehen.

Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sprach von einem dunklen Tag für den Frieden in der Welt. «Wir sehen einen militärischen Angriff auf eine friedliche, freie und souveräne Nation.» Es handle sich nicht nur um einen Angriff auf die Ukraine, sondern auch auf Frieden und Stabilität. «Jetzt ist Krieg in Europa.» Man trete ein in eine ungewisse Zeit. Eine direkte militärische Bedrohung gegen die Nato oder gegen Dänemark sehe man aber nicht, unterstrich Dänemarks Verteidigungsminister Morten Bødskov.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nennt das Vorgehen Moskaus einen schweren Schlag für den Frieden und die Stabilität in der Region. Er habe dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versichert, das Nato-Land Türkei unterstütze die territoriale Integrität der Ukraine. Die Türkei pflegt enge Beziehungen zu beiden Ländern. Russland ist ein Hauptlieferant für Gas, an Kiew verkauft Ankara unter anderem Kampfdrohnen. Die Türkei ist zudem so wie Russland und die Ukraine Schwarzmeer-Anrainer.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat eine rasche und entschlossene Antwort auf den russischen Angriff gefordert. «Wir müssen sofort auf die verbrecherische Aggression Russlands gegen die Ukraine reagieren», schrieb er auf Twitter.

Keine Kritik von China gen Moskau

Trotz der Militäroperation vermeidet China direkte Kritik an Moskau greift stattdessen die USA und andere westliche Staaten für ihre Waffenlieferungen an. «Die Ukraine-Frage ist in ihrem historischen Hintergrund komplex», sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying bei einem täglichen Pressebriefing: «Was wir heute sehen, ist das Zusammenspiel komplexer Faktoren».

Den USA und anderen westlichen Staaten warf Hua Chunying vor, durch Waffenlieferungen den Konflikt angeheizt zu haben. «Waffen können niemals alle Probleme lösen. Ich glaube also nicht, dass dies die Zeit für jemanden ist, Öl ins Feuer zu gießen. Stattdessen sollten wir dem Frieden eine Chance geben», so die Sprecherin, die zudem an frühere Militäraktionen der USA erinnerte.

Historiker: Putin scheint «ernsthaft wahnsinnig»

Nach Ansicht des renommierten britischen Historiker Timothy Garton Ash ist das Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin als wahnsinnig einzustufen. Putin habe bereits vor mehr als 25 Jahren über verloren gegangenes russisches Territorium gesprochen, sagte Garton Ash dem Sender Times Radio am Donnerstag. In dieser Woche habe der russische Staatschef aber erstmals den Eindruck gemacht, «ernsthaft wahnsinnig» geworden zu sein. «Früher war er zynisch, brutal, ein Schurke und Diktator, aber nicht wahnsinnig, sondern immer berechnend. Deswegen ist dieser Moment so gefährlich», sagte der Professor an der Universität Oxford.

An eine rasche Wirkung von Sanktionen gegen Russland glaubt Garton Ash nicht. Langfristig könne sich der Konflikt aber für Putin negativ auswirken. «Ich denke, wenn die Leichensäcke mit gestorbenen jungen russischen Soldaten aus der Ukraine zurückkommen und der Rubel in den Keller fährt und die russische Börse, und es beginnt, den Russen weh zu tun, wird es kritisch für Putin», sagte der Wissenschaftler. Das werde aber nicht heute oder morgen sein.

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