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Influencer
Jeremy Fragrance: «Geile Dinge finden die Leute geil»

Jeremy Fragrance
Influencer Jeremy Fragrance: «Teilweise entstehen Tiktok-Videos, die viral gehen, bei meiner Oma zum Beispiel im Treppenhaus». Foto: Rolf Vennenbernd
Im Internet verfolgen bereits Millionen, was der Duft-Influencer Jeremy Fragrance so treibt - nun erobert er auch zunehmend die Offline-Welt. Besuch bei einem Phänomen aus einem Zeitalter, in dem Reichweite alles ist.

Sankt Augustin. Influencer gibt es viele, aber wenige wie Jeremy Fragrance. Das merkt man schnell, wenn man ihm begegnet. Im Internet spricht er in seinen Videos über Parfüme, das hat ihn berühmt gemacht - auf Youtube hat er mehr als zwei Millionen Abonnenten. Aber wahrscheinlich könnte er auch über Rasenmäher oder Duschhauben referieren. Das Ereignis ist er selbst. Die Art, wie er redet, wie er aussieht - und die leichte Verwirrung, die er manchmal hinterlässt.

So wie in diesem Moment. Beim Gespräch bleibt Fragrance lieber stehen, zum Hinsetzen ist offenbar noch nicht der richtige Zeitpunkt. Er erklärt das damit, dass er sich «pro Tag ja in so verschiedene Stimmungen» reinschieße. Und erst eine der letzten, das sei die «gesetzte». «Jetzt ist noch Energy und so die Schiene», erläutert er. Man versteht es nur so halb, akzeptiert es aber gerne. Fragrance bleibt also stehen und fragt freundlich: «Kann ich Euch ein arschkaltes Wasser oder einen heißen Ingwer-Tee anbieten?»

Das Phänomen Jeremy Fragrance

Jeremy Fragrance ist das, was man landläufig ein Phänomen nennt, deswegen ist es zu diesem Treffen gekommen. Man will ihn einfach mal erleben. Wer in die Welt von Youtube, Instagram und Tiktok hineingeboren wurde, dem dürfte der 34-Jährige schon mal den Feed gekapert haben. Da ist er ein Star. Wer noch im alten Jahrtausend geboren wurde, der runzelt beim Erstkontakt erst einmal die Stirn.

Zu den Fakten: Bürgerlich heißt Fragrance eigentlich Daniel Schütz. Er ist muskulös und trägt meist komplett weiße Klamotten wie ein Guru. Dazu hat er ein Bewegungsprofil wie eine Kugel in einem Flipper-Automaten. Aus seinem Wohlstand macht er keinen Hehl. Ein Büro hat er aber etwas überraschend in Sankt Augustin bei Bonn, was nobler klingt als es ist. Gegenüber steht ein Autohaus.

In vielen seiner Videos sortiert Fragrance die Düfte dieser Welt in Listen ein. Die besten zehn Männer-Düfte für den Winter, die fünf Sommer-Düfte, die man kennen muss. So weit, so erwartbar. Was ihn von braven Parfüm-Verkäufern in Kaufhaus-Erdgeschossen unterscheidet, ist, wie er das vorträgt. Fragrance selbst würde wohl sagen: mit welcher Energie. Oft sieht man ihn tanzend oder oberkörperfrei. In einem neueren Clip schnuppert er an Bananen. Berühmt wurde er zudem für seine Fähigkeit, viele einarmige Liegestützen zu machen.

Ziel: 2023 Milliardär werden

Der Moderator Klaas Heufer-Umlauf, der wie Fragrance aus Oldenburg stammt, sagte in seiner Sendung mal zu ihm: «Du bist ein Ereignis als Mensch, deswegen guckt man dir auch zu, wenn man im Prinzip an guten Gerüchen gar nicht so interessiert ist. Und du hast ein bisschen einen an der Waffel.» Von Fragrance kam da kein Widerspruch.

In seinem Büro stehen im ganzen Raum Parfüm-Flakons, auf dem Schreibtisch kleben gelbe Zettelchen. Darauf notiert er seine Ziele, wie er erklärt. Zum Beispiel, dass er mit Düften 2023 Milliardär werden will. Mit Parfüms, die er selbst verkauft, macht er nach eigenen Angaben schon gewaltige Umsätze.

In der Gegend hier sei er «hängen geblieben», sagt er. Der Grund sei eine Boyband gewesen, deren Teil er war und die in Bonn in einem Haus gewohnt habe. Aber es sei doch so, sagt er: «Wir Influencer, wir können ja überall drehen, wenn wir unsere Kamera dabei haben.» In Sankt Augustin habe er Düfte stehen, ebenso in Oldenburg. Und auch in Miami - da besitze er mittlerweile zwei Wohnungen. In so einer «geilen Gegend», in der man das Haus von Puff Daddy sehen könne.

Tiktok-Videos bei Oma im Treppenhaus

Was für die Clips aber nicht viel bedeutet. «Teilweise entstehen Tiktok-Videos, die viral gehen, bei meiner Oma zum Beispiel im Treppenhaus in so einem echt alten Wohnungsbau-Ding», sagt Fragrance. «Die Leute sind satt an diesem Ultra-Profi-Zeug.» Selbst mitten im Gespräch produziert er so ein Video. «Ich weiß' zum Beispiel noch gar nicht, worüber ich rede», sagt er einleitend. Dann geht es schon los.

Seine erratische Art ist unterhaltsam und undurchdringlich zugleich. Man fragt sich einfach zwangsläufig: Was ist los dem Typen? Besonders sonderbar wird es, wenn man mit ihm über seine Routinen spricht. Die Sache mit dem Stehenbleiben hält er selbst auf seinem Fahrrad durch. Seinen Lifestyle in Sankt Augustin beschreibt er seltsam detailliert so: «Arschkalt duschen, Fahrrad fahren, 5.11 Uhr aufstehen.»

Fragrance selbst sagt über seinen Aufstieg, dass er immer mit dem Maximum arbeite. «Weil die Leute einfach so etwas geil finden. Einfach so grundsätzlich krasse, geile Dinge finden die Leute geil». Das sind Wahrheiten, gegen die man nicht viel einwenden kann.

Interesse an Düften

Folgt man seinen Erzählungen, geht das Interesse an Düften auf einen USA-Besuch mit 19 Jahren zurück. Sein Bruder sei damals im Auslandssemester gewesen und er selbst habe den Hype um Abercrombie & Fitch miterlebt - eine Modekette, die bekannt wurde für durchgestylte Shops mit parfümgeschwängerter Luft. Zum Duft-Kenner und Influencer wurde er aber erst viel später - als Autodidakt.

Heute bringt er Reichweite, und die brauchen alle. Kürzlich produzierte Aldi Nord mit ihm einen hochgelobten Werbespot für Brot («Der beste Duft der Welt: Frisches Brot»). 2022 machte er in der Sat.1-Show «Promi Big Brother» mit. Fragrance weiß um seinen Wert.

Er meint: Man könne ja mal ihn und Til Schweiger in Berlin nebeneinander stellen. «Mal gucken, an wem die Leute hängen bleiben.»

© dpa-infocom, dpa:230319-99-09680/2