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Wochenlang verhandelt
Labour erklärt Brexit-Gespräche für gescheitert

Labour-Chef Corbyn
Jeremy Corbyn ist Vorsitzender der Labour Partei in Großbritannien. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire
Wochenlang wurde verhandelt, nun enden die Gespräche in einer Sackgasse. Für Premierministerin Theresa May dürfte es damit sehr schwierig werden, ihr EU-Austrittsabkommen noch durchs Parlament zu bekommen. Das Rennen um ihre Nachfolge ist bereits voll im Gang.

London/Bristol (dpa) - Die wochenlangen Gespräche zwischen der britischen Regierung und der Opposition über einen Kompromiss im Brexit-Streit sind vorerst gescheitert. «Wir waren nicht in der Lage, gewichtige politische Differenzen zwischen uns zu überbrücken», sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn.

Die Schuld an dem Scheitern sieht Corbyn bei der Regierung. Labour fordert eine sehr viel engere Bindung an die EU als bislang von Premierministerin Theresa May vorgesehen. «Wir wollen ein Zollabkommen mit der Europäischen Union», sagte Corbyn in einem BBC-Interview. Brexit-Hardliner in der konservativen Regierungspartei waren dagegen jedoch in den vergangenen Wochen Sturm gelaufen.

May hingegen sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bristol, die Gespräche seien konstruktiv gewesen, Fortschritte seien erzielt worden. Für Schwierigkeiten hätte aber Uneinigkeit bei Labour gesorgt, ob die Partei den EU-Austritt umsetzen wolle oder ein zweites Referendum anstrebe, so May.

Mehrere hochrangige Labour-Politiker hatten eine zweite Volksabstimmung als Voraussetzung für eine Unterstützung der Regierung ausgegeben. Doch das lehnt die Premierministerin vehement ab. Auch Labour-Chef Corbyn zeigt sich hinsichtlich eines zweiten Referendums stets zurückhaltend.

May hatte die Gespräche mit Labour Ende März in die Wege geleitet, nachdem sie mit ihrem mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommen zum dritten Mal im Parlament gescheitert war. Sie will das Abkommen nun Anfang Juni über den Umweg eines Gesetzgebungsverfahrens erneut den Abgeordneten vorlegen. Dafür hatte sie auf Unterstützung der Sozialdemokraten gehofft. Das dürfte nun schwierig werden.

Unklar ist, ob es zuvor noch eine weitere Abstimmungsrunde über Alternativen zum Brexit-Deal im Parlament geben wird. Das hatte May eigentlich für den Fall eines Scheiterns der Gespräche angekündigt. Ähnliche Abstimmungen hatte es bereits gegeben, dabei konnten sich die Abgeordneten aber nicht auf eine Alternative einigen.

Scharfe Kritik am Scheitern der Gespräche kam vom britischen Unternehmerverband CBI (Confederation of British Industry). «Sechs Wochen verschwendet, während Unsicherheit unsere Wirtschaft lähmt», sagte CBI-Chefin Carolyn Fairbairn einer Mitteilung zufolge. Sie rief die Parlamentarier auf, ihre Pfingstferien ausfallen zu lassen, um eine Lösung des Brexit-Streits zu erreichen. «Jetzt ist nicht die Zeit, Urlaub zu machen, es ist Zeit, voranzukommen.»

Eigentlich hätte Großbritannien die Staatengemeinschaft schon am 29. März verlassen sollen. Die Frist für den EU-Austritt wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert.

Das Land muss nun knapp drei Jahre nach dem Brexit-Votum notgedrungen an der Wahl zum Europaparlament teilnehmen. Vor allem den Konservativen, aber auch Labour droht dabei eine empfindliche Niederlage. In den Umfragen zur Wahl führt die neu gegründete Brexit-Partei von Ex-Ukip-Chef Nigel Farage.

May steht innerhalb ihrer konservativen Partei massiv unter Druck. Am Donnerstag stimmte sie zu, unabhängig vom Erfolg ihres Deals noch in diesem Sommer den Zeitplan für ihre Nachfolge festzulegen.

Für Mays Nachfolge hatte sich am Donnerstag Ex-Außenminister Boris Johnson in Stellung gebracht. «Natürlich werde ich mich bewerben», sagte Johnson, der sich wochenlang zurückgehalten hatte, am Rande einer Rede in Manchester auf die Frage, ob er bei einem Rücktritt Mays für das Amt des Parteichefs kandidiere. «Das dürfte kein Geheimnis sein.» Die Regierung sei in den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel nicht sehr dynamisch gewesen. Er habe endlosen Appetit, «dem Land auf den richtigen Weg zu helfen». Neben ihm haben schon zahlreiche andere Politiker der Konservativen Partei ihr Interesse bekundet.