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Premier trifft Parteichefs
Macron nach Krawallen und «Gelbwesten»-Protest unter Druck

Nach den Ausschreitungen
Ein Arbeiter der Stadtreinigung beseitigt Grafitti von einer Wand des Arc de Triomphe. Foto: Thibault Camus/AP
Handschlag des Präsidenten
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, gibt am Tag nach den Ausschreitungen in Paris einem Feuerwehrmann die Hand. Foto: Thibault Camus/AP
Wasserwerfer
Wasserwerfereinsatz der Polizei gegen Demonstranten der «Gelben Westen» am Samstag in der Nähe des Arc de Triomphe. Foto: Sathiri Kelpa/SOPA Images via ZUMA Wire
Ausschreitungen in Paris
Ein Polizist geht in Paris an einem brennenden Haufen Stühle vorbei. Foto: Yann Bohac/ZUMA Wire
Ausschreitungen in Paris
Rauch hüllt den Arc de Triomphe ein: Rund um die Champs-Élysées kam es zu schweren Ausschreitungen. Foto: Yann Bohac/ZUMA Wire
Straßenzüge sind verwüstet, Autos ausgebrannt, Läden zerstört: Nach dem dritten Protestwochenende in Folge steht Emmanuel Macron unter Druck. Frankreichs Staatschef und die Regierung suchen Auswege aus der verfahrenen Lage.

Paris (dpa) - Nach den schweren Krawallen in Paris und Massenprotesten der «Gelben Westen» in ganz Frankreich steht Staatschef Emmanuel Macron vor einer riesigen Herausforderung.

Der konservative Oppositionspolitiker Laurent Wauquiez verlangte, die im Januar geplanten Steuererhöhungen zu streichen. «Eine Geste der Beruhigung ist sofort nötig», sagte der Parteichef der bürgerlichen Republikaner im Nachrichtensender BFMTV. Französische Medien sprachen von der bisher schwersten Krise in der Amtszeit Macrons - der 40-Jährige regiert seit Mai 2017.

Demonstranten hatten sich am Wochenende Straßenschlachten mit der Polizei in der Hauptstadt geliefert, Autos gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert. Die Polizei nahm über 400 Menschen fest - ein Niveau, das in den vergangenen Jahrzehnten nicht erreicht wurde. Der Pariser Polizeichef Michel Delpuech sprach von einer «beispiellosen Gewalt». Die Proteste der «Gelben Westen» hatten sich an Steuererhöhungen für Diesel und Benzin entzündet, die im kommenden Monat geplant sind.

Premierminister Édouard Philippe sucht einen Ausweg aus der Krise und traf am Montag in Paris neben Wauquiez auch andere Toppolitiker. Wauquiez brachte ein Referendum ins Spiel, um die Franzosen entscheiden zu lassen.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen schrieb die Gewalt in Paris vor allem den extremen Linken zu. Bei einer Pressekonferenz in Nanterre sagte sie laut französischer Nachrichtenagentur AFP in Richtung der Regierung: «Geben Sie (den «Gelben Westen») Regelungen, die in der Lage sind, alle zu beruhigen!» Die Regierung und Macron seien verantwortlich dafür, dass die Wut zugenommen habe. «Und leider ist Gewalt oft eine Folge der Wut.»

Macron kam seinerseits bei einem unangekündigten Besuch in einer Kaserne mit Polizisten zusammen, wie BFMTV berichtete. Der Staatschef hatte Philippe zu den Gesprächen mit den Politikern aufgefordert. Am Dienstag sollen auch Vertreter der Protestgruppe «Gelbe Westen» empfangen werden.

Mit neuen Entscheidungen der Mitte-Regierung wird nicht vor Mittwoch gerechnet. Dann will sich der Regierungschef laut AFP auch der Nationalversammlung stellen, dem Unterhaus des Parlaments. Macron könnte seinen für Mittwoch und Donnerstag geplanten Besuch bei seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic in Belgrad verschieben. Unterdessen kursierten bereits Aufrufe zu neuen Protesten an diesem Samstag in Paris.

Der Schock bei Pariser Gewerbetreibenden sitzt nach dem Ausbruch der Gewalt tief. Ein Apotheker, dessen Geschäft verwüstet worden ist, sagte BFMTV: «Es war ein Tornado, der in die Apotheke gekommen ist.» Dem Bericht zufolge zerstörten und plünderten die Randalierer 80 Prozent der Vorräte. Der Inhaber eines Einrichtungsgeschäfts, dessen Schaufenster eingeschlagen wurde, zeigte sich wütend. Er sehe keinen Zusammenhang zwischen der Zerstörung seines Ladens und den Forderungen der «Gelben Westen», sagte er. Wie der Sender RTL unter Berufung auf das Rathaus berichtete, könnten die Schäden eine Summe von drei bis vier Millionen Euro erreichen.

Der bei den Krawallen stark beschädigte Triumphbogen in Paris blieb zunächst geschlossen. Am Samstag hatten sich Randalierer im Zuge der Proteste Zutritt zu dem nationalen Wahrzeichen am Ende der Prachtstraße Champs-Élysées verschafft und massive Zerstörungen angerichtet. Derzeit versuche man, den Schaden zu ermessen und zu entscheiden, welche Arbeiten durchgeführt werden müssen, sagte eine Sprecherin der französischen Behörde für Nationaldenkmäler. Erst am 11. November hatte Macron rund 70 Staats- und Regierungschefs am Triumphbogen versammelt, um an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zu erinnern.

Der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, sagte dem Sender RTL, eine Wiedereinführung des Ausnahmezustandes stehe nicht auf der Tagesordnung. Der Ausnahmezustand war nach den schweren islamistischen Terroranschlägen verhängt und Ende 2017 wieder aufgehoben worden.

Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire stellte indessen Steuerentlastungen in Aussicht. «Die Steuersenkungen müssen beschleunigt werden.» Dafür müssten aber auch die öffentlichen Ausgaben im Land sinken. Eine Abkehr von der umstrittenen Steuererhöhung auf Benzin und Diesel kündigte er jedoch nicht an. Im Einzelhandel seien aufgrund der Proteste mancherorts Umsatzrückgänge von bis zu 40 Prozent zu beklagen, Restaurants müssten je nach Ort Einbußen von bis zu 50 Prozent hinnehmen, Hotelreservierungen seien um bis zu einem Fünftel zurückgegangen.

Eine 80 Jahre alte Frau starb am Wochenende in Marseille nach einer Operation - zuvor war sie am Fenster ihrer Wohnung im Stadtzentrum von einer Tränengasgranate ins Gesicht getroffen worden, wie Sicherheitskreise der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Ein Zusammenhang zwischen der Verletzung und dem Tod der Frau wurde aber zunächst nicht bestätigt, eine Untersuchung laufe. Im Zuge der Proteste der «Gelben Westen» waren bisher bereits drei Menschen ums Leben gekommen.

Auch an Gymnasien im Land kam es zu Protesten, Schüler wehrten sich gegen Reformen im Bildungsbereich, berichtete AFP. Über 100 Oberschulen seien gänzlich oder teilweise blockiert worden.

In Paris protestierten unterdessen Krankenwagenfahrer mit ihren Fahrzeugen unweit der Nationalversammlung. Ihr Protest wendet sich gegen eine Reform zur Finanzierung der Krankentransporte. Fahrer hatten bereits im November auf der Stadtautobahn protestiert, die Paris umschließt.