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Maßnahmen gegen Opposition
Nicaraguas Regierung lässt vor Wahl Gegner festnehmen

Daniel Ortega
Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua, spricht bei einer Einweihungsfeier einer Autobahnüberführung. Fünf Monate vor einer Präsidentenwahl geht Nicaraguas Führung gegen immer mehr ihrer politischen Gegner vor. Foto: Alfredo Zuniga/AP/dpa
Innerhalb einer Woche sind in Nicaragua vier Oppositionskandidaten von der Polizei festgesetzt worden. Ein Politiker wurde bei seiner Festnahme geschlagen - sein Aufenthaltsort ist unbekannt.

Managua (dpa) - Fünf Monate vor einer Präsidentenwahl geht Nicaraguas Führung gegen immer mehr ihrer politischen Gegner vor. Innerhalb einer Woche sind inzwischen vier Oppositionskandidaten festgenommen worden - zuletzt Félix Maradiaga und Juan Sebastián Chamorro.

Der Politiker und Akademiker Maradiaga wurde nach Angaben seines Büros bei seiner Festnahme in der Hauptstadt Managua heftig geschlagen, und danach war sein Aufenthaltsort demnach unbekannt. Wenig später kam mit Chamorro ein weiterer Bewerber um die Kandidatur eines Oppositionsbündnisses bei der für November geplanten Präsidentenwahl hinzu.

Umstrittenes Gesetz dient als Legitimation

In beiden Fällen berief sich die Polizei - nach Mitteilungen, die örtliche Medien verbreiteten - auf ein Gesetz, das die sandinistische Regierungspartei FSLN des autoritären Präsidenten Daniel Ortega erst im Dezember mit ihrer großen Mehrheit im Parlament verabschiedet hatte. Das «Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung für den Frieden» sieht vor, dass nicht für ein gewähltes Amt kandidieren darf, wer unter anderem einen Staatsstreich anführt, zu ausländischer Einmischung anstiftet oder terroristische Handlungen schürt.

Als Terroristen und Putschisten hat die Regierung die Teilnehmer an Protesten gegen sich im Jahr 2018 bezeichnet. Die Demonstrationen - die sich erst gegen eine Sozialreform richteten, bei denen später aber auch Neuwahlen gefordert wurden - wurden niedergeschlagen. Es gab mehr als 300 Tote sowie Hunderte Festnahmen, Zehntausende Nicaraguaner flüchteten ins Ausland. Maradiaga berichtete damals vor dem UN-Sicherheitsrat von Repression durch die Regierung.

Internationale Beobachter kritisieren Vorgehen scharf

Zuvor war der frühere Botschafter des mittelamerikanischen Landes in den USA, Arturo Cruz, festgenommen worden. Dann wurden gegen ihn 90 Tage Untersuchungshaft verordnet. Die Staatsanwaltschaft warf dem Präsidentschaftskandidaten unter anderem vor, «die nicaraguanische Gesellschaft und die Rechte des Volkes angegriffen» zu haben. Auch hier wurde demnach im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz ermittelt.

Davor war Cristiana Chamorro - die Tochter der Ex-Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro und Cousine von Juan Sebastián Chamorro - unter Hausarrest gestellt worden. Gegen sie war wegen des Vorwurfs der Geldwäsche und «ideologischer Falschheit» Haftbefehl erlassen worden - einen Tag, nachdem sie angekündigt hatte, um das Präsidentenamt zu kandidierten. Ihr wurde auch das passive Wahlrecht entzogen. In einem Aufnahmestudio eines Nachrichtenportals, das ihrem Bruder, dem Journalisten Carlos Chamorro, gehört, gab es zudem eine Razzia.

Die Opposition wirft der christlich-sozialistischen Regierung des früheren Revolutionären Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo vor, eine freie und faire Wahl verhindern zu wollen. Internationale Menschenrechtsorganisationen und mehrere ausländische Regierungen kritisierten das Vorgehen von Nicaraguas Führung scharf - darunter die deutsche und die US-amerikanische. Julie Chung, die im US-Außenministerium für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre zuständig ist, nannte Ortega auf Twitter einen Diktator.

© dpa-infocom, dpa:210609-99-917226/6