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Kremlchef bleibt an der Macht
Polizeigewalt in Russland ist böses Omen für Putins Amtszeit

Viele junge Russen kennen keinen anderen Präsidenten als Wladimir Putin. Deshalb begehrt ein Teil von ihnen auf. Doch der Kreml schickt ihnen die Polizei auf den Hals - und rätselhafte Kosaken.

Moskau (dpa) - Der harte Polizeieinsatz gegen Oppositionelle in Russland überschattet den Beginn von Präsident Wladimir Putins neuer Amtszeit.

Putin (65) wird am Montag im Moskauer Kreml den Eid für sechs weitere Jahre an der Macht ablegen. Er führt das größte Land der Welt seit 18 Jahren. Am Samstag nahm die Polizei landesweit etwa 1600 Demonstranten fest, die einem Aufruf des Kremlkritikers Alexej Nawalny zu Protesten gefolgt waren. Mehr als 700 Festnahmen gab es allein in Moskau, wie das Bürgerrechtsportal OVD-Info zählte.

Viele der jungen Demonstranten haben nie einen anderen Präsidenten als Putin gekannt. Der Protest unter dem Motto «Kein Zar für uns!» richtete sich gegen seine lange Herrschaft, gegen Korruption und Internetzensur in Russland. Die Polizei sprach von 300 Festnahmen in der Hauptstadt und 200 in St. Petersburg. Es sei gelungen, schwere Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhindern, bilanzierte das Innenministerium. Kundgebungen gab es in etwa 90 Städten.

Dabei spielten sich gerade am Puschkinplatz in Moskau dramatische Szenen ab. Nawalny (41) gelangte zwar ungehindert auf den Platz und skandierte mit seinen Anhängern «Nieder mit dem Zaren!». Doch wie bei früheren Aktionen zerrten Polizisten ihn aus der Menge und nahmen ihn fest. Gepanzerte Einheiten räumten den Platz, setzten Schlagstöcke ein und führten wahllos Demonstranten ab. Selbst Kinder wurden zu Boden geworfen und festgenommen.

Besondere Furcht löste aus, dass neben der Polizei auch Männer in Kosakenuniform mit Peitschen auf die Versammelten einschlugen. Kosaken sind in Russland eigentlich nur noch Folklore. Andererseits treten Männer, die sich zu ihnen zählen, oft als Hilfspolizisten auf. Auch für die kommende Fußball-WM in Russland ist das angeblich geplant. «Wenn illegale Formationen zum Schutz des Regimes eingesetzt werden, dann ist das Bürgerkrieg», kommentierte der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie-Zentrum.

Auch Mitglieder der kremltreuen Organisation NOD waren auf dem Platz, um den Regierungskritikern zu zeigen: Ihr steht außerhalb der Mehrheit von 77 Prozent der Russen, die Putin im März gewählt haben. Nawalny (41) war wegen einer rechtlich fragwürdigen Vorstrafe als Kandidat nicht zugelassen worden.

Aus seiner jüngsten Festnahme wurde er in der Nacht auf Sonntag entlassen. Er muss aber am Freitag (11.5.) vor Gericht erscheinen. «Wir lassen uns nicht zu Sklaven machen, wir werden kämpfen», schrieb er auf Twitter. Den Festgenommenen drohen mehrere Tage Arrest.

Zuletzt war die Polizei im März 2017 ähnlich hart gegen Nawalny und seine Anhänger vorgegangen. Damals waren 1500 Menschen festgenommen worden. Große Proteste hatten schon Putins Rückkehr in den Kreml 2012 überschattet. Damals entlud sich der Ärger über seinen abgekarteten Ämtertausch mit Dmitri Medwedew. Putin ließ damals die Demos auflösen, Organisatoren bekamen hohe Haftstrafen. Um seinen Gegnern ihren angeblichen Rückhalt im Ausland zu entziehen, mussten sich russische Nichtregierungsorganisationen als «ausländische Agenten» registrieren lassen.

Die Festnahmen gefährdeten die Meinungs-und Versammlungsfreiheit in Russland, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel. «Diese Grundrechte sind in der russischen Verfassung festgehalten, und wir erwarten, dass sie geschützt und nicht ausgehöhlt werden.»

OVD-Info auf Twitter (Russ.)

Nawalny auf Twitter (Russ.)