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Tötung von George Floyd
Schlussplädoyers im Chauvin-Prozess beginnen

Demonstration gegen Polizeigewalt
Ein Mann hält während einer Demonstration gegen Polizeigewalt Minneapolis ein Portrait von George Floyd in die Höhe. Foto: Henry Pan/ZUMA Wire/dpa
Der Tod von George Floyd in den USA löste wochenlange Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. Knapp elf Monate später steuert der Prozess gegen einen weißen Ex-Polizisten auf das Ende zu.

Minneapolis (dpa) - Der Prozess gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin wegen der Tötung des Afroamerikaners George Floyd steht vor dem Abschluss.

Am Gericht in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota beginnen am Montag (ab 16.00 Uhr MESZ) die Abschlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Beide Seiten werden dabei versuchen, die Geschworenen zu überzeugen. Die Anhörung von Zeugen im Hauptverfahren war nach drei Wochen am Donnerstag zu Ende gegangen.

Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie rund neun Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Die Beamten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Nach den Plädoyers beraten die zwölf Mitglieder der Jury, um über Schuld oder Unschuld Chauvins zu befinden. Dafür gibt es keine Zeitvorgabe - sie könnten innerhalb einer Stunde entscheiden oder nach einer Woche, wie Richter Peter Cahill erklärte. Die Geschworenen dürfen während der Beratungen nicht mehr nach Hause gehen, sondern werden in einem Hotel untergebracht. Die Geschworenen bleiben aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Chauvin lautet Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen bis zu 40 Jahre Haft. Nach deutschem Recht entspräche dies eher dem Totschlag. Zudem wird Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch muss er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen worden war und auf Kaution frei ist, hat auf nicht schuldig plädiert.

Chauvins Verteidiger argumentierten, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückgehe, sondern vor allem auf dessen vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut. Experten der Staatsanwaltschaft wiesen dies klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismäßig und vorschriftswidrig.

Die Auswahl der Geschworenen hatte sich in diesem Fall lange hingezogen. Verteidiger, Staatsanwälte und das Gericht befragten zweieinhalb Wochen lang dutzende Kandidaten, um möglichst faire und unvoreingenommene Jury-Mitglieder zu finden. Zudem wollte die Staatsanwaltschaft auch sicherstellen, dass Schwarze und andere Minderheiten ausreichend in der Jury vertreten sind.

Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Pandemie eine Welle der Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst - und wurde damit zur größten Protestbewegung seit Jahrzehnten.

Der Prozess findet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Erwartungen an das Verfahren sind immens. Viele Menschen, wohl auch die meisten Schwarzen, hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA setzen wird - und dagegen, dass Sicherheitskräfte oft straffrei davonzukommen scheinen. Sollte Chauvin freigesprochen werden oder eine kurze Haftstrafe bekommen, weil die Geschworenen ihn zum Beispiel nur des Totschlags für schuldig befinden, dürfte es zu massiven Protesten kommen.

Der Großraum Minneapolis wird bereits seit einer Woche erneut von vereinzelten Protesten erschüttert. Der Auslöser war ein tödlicher Schuss einer weißen Polizistin auf einen 20-jährigen Schwarzen, Daunte Wright, bei einer Verkehrskontrolle im Vorort Brooklyn Center.

© dpa-infocom, dpa:210419-99-257542/3