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Amtsenthebungsverfahren
Trump und der Impeachment-Makel

Amtsenthebungsverfahren
Die Anklagepunkte im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump liegen zur Unterzeichnung auf dem Schreibtisch von Nancy Pelosi. Foto: Susan Walsh/AP/dpa
Den US-Demokraten ist es gelungen, Trump ein Amtsenthebungsverfahren aufzuzwingen. Den Präsidenten ärgert das mächtig. Seine härteste Gegenspielerin streut noch Salz in die Wunde - und sie schickt jemanden ins Feld, den Trump gar nicht leiden kann.

Washington (dpa) - Als würden sie einen Sarg zu Grabe tragen, schreiten sie mit ausdruckslosen Mienen durch die prunkvollen Korridore des Kapitols. Die Stille wird nur von den widerhallenden Schritten und den Auslösern Dutzender Kameras durchbrochen.

Die Überbringung der Anklagepunkte für das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump von einer zur anderen Parlamentskammer ist eine eigenartige Prozession, die in ihrer Dramatik den Worten dieser Tage in nichts nachsteht. «So traurig, so tragisch für unser Land, dass die Taten des Präsidenten (...) uns an diesen Punkt gebracht haben», sagt die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. «Heute werden wir Geschichte schreiben.»

Bei der Prozession gehen zwei Kongressbeamte vorweg. Ihnen folgen die sieben demokratischen Abgeordneten, die im Senat die Rolle der Anklagevertreter des Repräsentantenhauses wahrnehmen werden. Sie werden vom republikanisch dominierten Senat empfangen werden. Als dienstältester Republikaner in der Kammer dürfte Chuck Grassley die Sitzung eröffnen, er ist seit 39 Jahren und 14 Tagen Senator. 1999 hat der 86-Jährige schon das bislang letzte Amtsenthebungsverfahren gegen den demokratischen Präsidenten Bill Clinton mitgemacht. Damals stimmte Grassley für schuldig. Für eine Amtsenthebung Clintons reichte das nicht.

«EINE ABSOLUTE KATASTROPHE»

Grassley dürfte auch dem Obersten Richter der USA, John Roberts, den Eid abnehmen. Roberts wird das Verfahren im Senat leiten, und auch er ist schon einmal ins Visier Trumps geraten. Im Wahlkampf 2016 nannte Trump den Obersten Verfassungsrichter «einen Alptraum für Konservative» und «eine absolute Katastrophe». Dabei war Roberts vom Republikaner George W. Bush nominiert worden - zwei Tage nach dem Tod des Obersten Verfassungsrichters William Rehnquist, der vor ziemlich genau 21 Jahren das Verfahren gegen Clinton geleitet hatte.

DAS IMPEACHMENT-STIGMA

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat muss Trump höchstwahrscheinlich nicht befürchten, als erster Präsident in der Geschichte der USA per Impeachment aus dem Weißen Haus vertrieben zu werden. Dennoch macht er keinen Hehl daraus, wie sehr es ihn ärgert, dass die Demokraten, die das Repräsentantenhaus kontrollieren, ihm das demütigende Verfahren aufzwingen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung schimpfte der Präsident jüngst wieder über die «verrückten Hexenjagden», denen er ausgesetzt sei. Und auf Twitter fragte Trump: «Warum sollte ich das Stigma Impeachment an meinem Namen haften haben, wenn ich nichts falsch gemacht habe?»

Trump behauptet gerne von sich, mehr erreicht zu haben als seine Amtsvorgänger. Unabhängig vom umstrittenen Wahrheitsgehalt dieser Aussage weiß er, dass er nun für etwas ganz anderes in die Geschichtsbücher eingehen wird: dafür, dass er sich als erst dritter US-Präsident überhaupt einem Amtsenthebungsverfahren im Senat stellen muss. Auch wenn er letztlich so gut wie sicher freigesprochen werden dürfte, wird seine Regierungszeit - ebenso wie die seiner beiden Schicksalsgenossen Clinton und Andrew Johnson (1868) - für immer mit dem Impeachment-Makel verbunden bleiben.

EIN ROTES TUCH FÜR TRUMP

Erst recht dürfte Trump ärgern, wer das Team der Anklagevertreter anführt: Ausgerechnet der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Adam Schiff, der schon lange ein rotes Tuch für Trump ist. Bereits Ende 2018 hatte der Präsident ihn auf Twitter als «kleinen Adam Schitt» verspottet - ausgesprochen wie das englische Wort für Scheiße. Schiff sagte der «New York Times» später: «Das letzte Mal, als das passiert ist, ist der Person, die das gemacht hat, von ihrer Mutter der Mund mit Seife ausgewaschen worden.»

Zusätzlich streut Trump-Gegenspielerin Pelosi noch Salz in die Wunde - wohlwissend, dass nicht einmal in ihrer eigenen Partei ernsthaft jemand damit rechnet, dass Trump des Amtes enthoben werden wird. Gleich mehrfach wiederholt sie am Mittwoch, ein Impeachment hafte einem Präsidenten auf ewig an. «Sie können das niemals ausradieren.» Und Pelosi macht ein weiteres Mal klar, «dass dieser Präsident zur Rechenschaft gezogen wird, dass niemand über dem Gesetz steht».

GESPALTENES AMERIKA

Pelosi hat im September mit der Aufnahme von Ermittlungen für ein Amtsenthebungsverfahren einen riskanten Weg beschritten. Die Demokraten-Frontfrau hatte dem Druck aus den eigenen Reihen lange standgehalten und schreckte über viele Monate davor zurück, ein Verfahren in Gang zu setzen. Die Ukraine-Affäre brachte sie zum Umdenken. Ein US-Präsident, der ein ausländisches Staatsoberhaupt offen zu Ermittlungen gegen seinen politischen Gegner drängt - diese Anschuldigung hatte das Zeug, etwas ganz Großes ins Rollen zu bringen. Der Vorwurf war rasch formuliert: Trump soll seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj dazu gedrängt haben, die US-Präsidentschaftswahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Am 18. Dezember verabschiedete das Repräsentantenhaus dann mit der demokratischen Mehrheit die beiden Anklagepunkte gegen Trump, die nun im Senat verhandelt werden: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Repräsentantenhauses. Kein einziger Republikaner stimmte dafür, Trumps Unterstützung in der Partei ist ungebrochen. Die Amerikaner sind in der Frage des Impeachments indes gespalten. Und Trumps Zustimmungswerte sind nach knapp 1100 Tagen im Amt zwar niedriger als die aller seiner Vorgänger seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie liegen aber auf ähnlichem Niveau wie Ende September, als Pelosi die Impeachment-Ermittlungen auf den Weg brachte.

TRUMPS KURS AUF DIE WIEDERWAHL

Die Demokraten hoffen dennoch, dass das Amtsenthebungsverfahren Trump und die Republikaner bei den Wahlen im November Stimmen kosten wird. Ausgemacht ist das aber nicht, und wegen des US-Wahlsystems müssen auch die niedrigen Zustimmungswerte nicht zwangsläufig bedeuten, dass Trump schlechte Karten für eine Wiederwahl hat - zumal er einen Freispruch im Senat als Unschuldsbeweis verkaufen dürfte. Der Präsident hofft darauf, dass das Verfahren seine Basis mobilisiert. Bei einer Wahlkampfveranstaltung am Dienstag gab Trump den Kurs vor Tausenden jubelnden Anhängern schon einmal vor: «Wir werden den Senat behalten, und wir werden das Weiße Haus behalten», rief er der Menge entgegen. «Und wir werden das Repräsentantenhaus zurückgewinnen!»