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Endspurt für die Kandidaten
US-Wahlkampf: Unsicherheit vor historischer Abstimmung

US-Wahlkampf
Joe Biden auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt in Cleveland. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Am letzten Tag vor der US-Präsidentschaftswahl touren Donald Trump und Joe Biden noch einmal durch hart umkämpfte Bundesstaaten. Ein beispielloser Wahlkampf in Amerika endet mit Unruhe und der Sorge, dass die historische Abstimmung im Chaos enden könnte.

Washington (dpa) - Im spannenden Kampf ums Weiße Haus haben US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden die letzten Stunden vor dem Wahltag für Auftritte in besonders umkämpften Bundesstaaten genutzt.

Der Republikaner Trump wollte am Montag mit fünf Reden seinen Rückstand in Umfragen wettmachen. Demokrat Biden nahm das besonders wichtige Pennsylvania ins Visier, wo er am Montag unter anderem mit Popstar Lady Gaga auftreten wollte. Der ehemalige Vizepräsident konnte zudem auf weitere Schützenhilfe von Ex-Präsident Barack Obama zählen.

Vor dem historischen Wahltag am Dienstag herrscht Anspannung und Sorge, dass die Abstimmung im Chaos enden könnte. Für Unruhe sorgte ein Bericht, wonach sich Trump voreilig zum Wahlsieger erklären könnte. Die Nachrichtenseite «Axios» berichtete am Sonntag unter Berufung auf drei ungenannte Quellen, Trump habe mit Vertrauten Pläne besprochen, wonach er im Fall eines Vorsprungs in der Wahlnacht noch vor Ende der Stimmenauszählung den Sieg für sich deklarieren könnte. Der Präsident nannte den Bericht «falsch». Er forderte aber erneut, dass ein Wahlergebnis noch in der Nacht zu Mittwoch vorliegen müsse.

«Ich denke, dass es nicht fair ist, dass wir nach der Wahl eine lange Zeit warten müssen», sagte der 74-Jährige vor Journalisten im Bundesstaat North Carolina. «Sobald die Wahl vorbei ist, gehen wir mit unseren Anwälten rein.» Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany bekräftigte das am Montag. Eine längere Auszählung öffne die Tür für Wahlbetrug. Biden konterte, der Präsident werde «diese Wahl nicht stehlen». Trump untergräbt seit langem das Vertrauen in den Wahlprozess. Er bereitet damit nach Ansicht von Kritikern das Feld dafür, im Fall seiner Niederlage das Ergebnis anzufechten. Beide Seiten haben die diesjährige Abstimmung zur Schicksalswahl erklärt.

Wegen der Pandemie hat bereits eine Rekordzahl von Briefwählern ihre Stimme abgegeben. Umfragen zufolge wollen mehrheitlich Bidens Anhänger von der Möglichkeit Gebrauch machen, per Briefwahl abzustimmen. In umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania können Briefwahlstimmen noch Tage nach der Wahl ausgezählt werden. Das könnte dazu führen, dass Trump in der Nacht zu Mittwoch vorne liegt, sein Vorsprung sich aber in den Tagen danach in eine Rückstand verwandelt. Dann würden die Wahlleute in den Bundesstaaten, in denen sich das Ergebnis dreht, doch nicht Trump, sondern Biden zugesprochen. Trump behauptet seit Monaten ohne jeden Beleg, die Stimmabgabe per Briefwahl begünstige Wahlbetrug.

Mehr als 94 Millionen Amerikaner haben bereits die Möglichkeit genutzt, vor dem offiziellen Wahltermin am Dienstag per Brief oder in vorab geöffneten Wahllokalen abzustimmen. Das entspricht nach Angaben des «U.S. Elections Project» mehr als zwei Drittel aller Wähler 2016. Der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, will seinen Bundesstaat im Falle von Verzögerungen in einem Werbespot zu Geduld aufrufen. «Wegen des Coronavirus wurden Millionen von Stimmen per Post abgegeben, so dass es länger als gewöhnlich dauern kann, jede Stimme auszuzählen», sagt der Demokrat einem CNN-Bericht zufolge in dem Video, das am Wahltag und wenn nötig danach ausgestrahlt werden soll.

Mit Blick auf mögliche Unruhen wurden die Sicherheitsvorkehrungen in einigen Teilen des Landes deutlich verschärft. Berichten zufolge wird das Weiße Haus, in dem Präsident Trump die Wahlnacht mit Hunderten Gästen verbringen will, abgeriegelt. In der Innenstadt von Washington und mehreren anderen Großstädten wurden Schaufensterscheiben von Geschäften mit Holzplatten verbarrikadiert. Die berühmte Shoppingmeile «Rodeo Drive» in Beverly Hills soll ebenfalls für zwei Tage für Autos und Fußgänger gesperrt werden.

Wie hoch die Emotionen bereits kochen, zeigte ein Zwischenfall mit einem Biden-Wahlkampfbus in Texas. Auf Aufnahmen war zu sehen, wie der Bus bei der Fahrt auf einer Schnellstraße unter anderem von Pickups und SUVs mit Trump-Flaggen umringt wurde. Dabei berührten sich auch zwei Wagen direkt hinter dem Bus. Die Bundespolizei FBI hat übereinstimmenden Medienberichten zufolge Ermittlungen wegen dieser scheinbaren Belästigung aufgenommen. Trump hatte das Video auf Twitter geteilt und geschrieben: «Ich liebe Texas!» Als Reaktion auf die FBI-Untersuchungen schrieb er am Sonntagabend (Ortszeit) zudem: «Meiner Meinung nach haben diese Patrioten nichts falsch gemacht.»

Der Wahlkampf konzentriert sich im Endspurt auf «Swing States» wie Florida oder Pennsylvania, bei denen erfahrungsgemäß nicht schon im Vorfeld feststeht, ob der Kandidat der Republikaner oder jener der Demokraten siegen wird. Trump lag in Umfragen vom Wochenende sowohl landesweit als auch in mehreren «Swing States» hinter Biden - letzteres aber oft nur knapp. In Pennsylvania ist Bidens Vorsprung geschrumpft. Trumps Wiederwahl wäre wegen des US-Wahlsystems auch dann nicht ausgeschlossen, wenn Biden landesweit die meisten Stimmen bekommen sollte.

Bei seinen Auftritten am Sonntag hatte Trump Herausforderer Biden erneut ohne Belege der Korruption beschuldigt. Außerdem spielte er Videos mit Versprechern seines Kontrahenten ab und warnte für den Fall seiner Niederlage vor einer Wirtschaftskrise. Biden schoss bei einer Rede in Philadelphia zurück: «Es ist an der Zeit für Donald Trump, seine Taschen zu packen und nach Hause zu gehen. Es ist an der Zeit, wieder etwas Leben in diese Nation zurückzubringen. Wir sind fertig, wir sind müde von den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen und der Verantwortungslosigkeit.» Biden kritisierte Trumps Krisenmanagement in der Pandemie als «fast kriminell».

In den USA sind bereits mehr als 230.000 Menschen am Coronavirus gestorben - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Trotz deutlich steigender Infektionszahlen versicherte Trump am Sonntag mehrfach, die USA seien in der Corona-Krise bald über den Berg. Der führende US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci dagegen stimmte die Amerikaner unterdessen auf eine deutliche Verschlechterung der Pandemie-Lage ein. «Uns steht eine ganze Menge Leid bevor. Es ist keine gute Situation», sagte Fauci der «Washington Post». Die USA könnten vor dem Herbst und Winter «unmöglich schlechter positioniert sein».

Trump deutete bei seiner letzten Wahlkampfveranstaltung am Sonntag an, Fauci nach der Wahl feuern zu wollen. Als die Menge in Florida «feuer Fauci» rief, sagte Trump: «Sagt es keinem, aber lasst mich warten bis ein kleines bisschen nach der Wahl. Ich weiß den Rat zu schätzen.»

© dpa-infocom, dpa:201102-99-182009/2