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Gewalt gegen Rohingya
Völkermord-Klage: Suu Kyi verteidigt Militärs von Myanmar

Die letzten Meter
Aus Myanmar geflohene Rohingya gehen im Herbst 2017 auf einer Insel in Bangladesch an Land. Foto: Km Asad/Zuma Press/dpa
Aung San Suu Kyi
Aung San Suu Kyi, de facto Regierungschefin von Myanmar, spricht am zweiten Tag der dreitägigen Anhörungen. Foto: Peter Dejong/AP/dpa
Flucht
Herbst 2017: Flüchtlinge der muslimischen Rohingya-Minderheit überqueren die Grenze zwischen Bangladesch und Myanmar. Foto: Km Asad/Zuma Press/dpa
Rohingya in Thailand
Rohingya-Flüchtlinge werden auf der Insel Ko Ra Wi von thailändischen Sicherheitskräften bewacht, nachdem ihr Boot gesunken war. Foto: Tuwaedaniya Meringing/BERNAMA/dpa
Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch
Ein Rohingya-Mädchen trägt Gemüse zum Markt eines Flüchtlingslagers, um es dort zu verkaufen. Foto: Zakir Hossain Chowdhury/ZUMA Wire/dpa
Flüchtlingslager
Eine Rohingya-Frau mit ihren Kindern im gigantischen Flüchtlingslager Cox's Bazar. Foto: Mahmud Hossain Opu/AP/dpa
UN-Gericht
Abdulqawi Yusuf (2.v.r), Präsident des Internationalen Gerichtshofs, bei einer Anhörung zu den Genozid-Vorwürfen gegen die Regierung Myanmars. Foto: Koen Van Weel/ANP/dpa
Unterstützung
Unterstützer von Aung San Suu Kyi, de facto Regierungschefin von Myanmar, vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Foto: Peter Dejong/AP/dpa
Protest gegen Rückführung
Rohingya-Flüchtlinge protestieren im Lager Unchiprang gegen ihre Rückführung nach Myanmar. Foto: Dar Yasin/AP/dpa
Rohingya
Rohingya, die aus dem Kampfgebiet geflohen sind, tragen ihr Hab und Gut bei der Ankunft in einem Kloster. Foto: Nyunt Win/epa/dpa
Rohingya
Eine Frau der Rohingya weint in einem Lager für Binnenvertriebene in Myanmar. Foto: Nyunt Win/epa/dpa/Archiv
Die brutale Gewalt gegen die Rohingya in Myanmar schockte die Welt. Nun muss sich das Land vor dem höchsten UN-Gericht verantworten. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi weist die Vorwürfe zurück.

Den Haag (dpa) - Schmal, fast zerbrechlich wirkt Aung San Suu Kyi, als sie vor die höchsten Richter der Vereinten Nationen tritt. Die Friedensnobelpreisträgerin und Regierungschefin Myanmars verteidigt am Mittwoch in Den Haag ihr Land gegen Völkermord-Vorwürfe.

Die dunklen Haare hat sie hinterm Kopf zusammengebunden und mit rosafarbenen Blumen geschmückt. Die 74-Jährige spricht mit fester Stimme. Ihre Botschaft ist unmissverständlich. Von Völkermord könne keine Rede sein. Die Beschuldigungen seien «irreführend».

Allein schon das Bild ist bemerkenswert: Im holzvertäfelten Sitzungssaal des mehr als 100 Jahre alten Friedenspalasts saß die einstige Friedens-Ikone symbolisch auf der Anklagebank. Der Internationale Gerichtshof verfolgt keine einzelnen Angeklagten, sondern entscheidet im Streit zwischen Staaten. Myanmar (ehemals Birma) wird des Völkermordes beschuldigt.

Und die 74-Jährige, die während der Zeit der Militärdiktatur so lange unter Hausarrest stand, verteidigt ihre Heimat. Im nächsten Jahr wird in Myanmar gewählt, und die «Lady» will wohl wiedergewählt werden. In dem mehrheitlich buddhistischen Land ist man über die internationale Kritik am Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya empört. Zuhause stehen die Leute hinter ihr.

Auch vor dem Palast in Den Haag jubeln ihr Dutzende Sympathisanten zu. Wer ihr gut will, sagt: Aung San Suu Kyi braucht die Armee, um das Land weiter zu demokratisieren. Im Ausland meinen viele aber auch, dass sie sich von den immer noch mächtigen Generälen instrumentalisieren lässt.

Die Klage wurde von Gambia eingereicht, einem Staat in Westafrika mit muslimischer Mehrheit. Gambia wirft Myanmar wegen der Gewalttaten der Militärs gegen die Rohingya-Minderheit Völkermord vor.

Die Regierungschefin rechtfertigte jedoch das Vorgehen. Die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen. «Wir haben einen internen bewaffneten Konflikt in Myanmar», sagte Aung San Suu Kyi vor den 17 internationalen Richtern. Der Konflikt gehe auf bereits seit Jahrzehnten dauernde Spannungen zurück. Im Herbst 2016 hätten Rohingya-Rebellen im Bundesstaat Rakhine Polizeistationen angegriffen. Daraufhin habe das Militär reagiert.

Gambia, unterstützt wird es von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, beruft sich auf die Völkermord-Konvention von 1948. Grundlage ist ein Bericht von UN-Ermittlern, die dem Militär «anhaltenden Völkermord» zur Last legen. Soldaten hätten Tausende Menschen ermordet, Frauen und Kinder vergewaltigt, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Fest steht: Mehr als 700.000 Menschen sind vor der Gewalt ins muslimische Nachbarland Bangladesch geflohen.

Möglicherweise habe es Übergriffe gegeben, sagt die Nobelpreisträgerin dazu. Aber die Schuldigen würden von der Justiz Myanmars verfolgt. Und zur Massen-Flucht: «Tragischerweise führte der Konflikt zu einem Exodus von Tausenden Menschen.» Myanmars Juristen sagen, Gambia habe die «Absicht zum Völkermord» nicht bewiesen. Die Flucht von vielen Menschen sei auch kein Beweis für Genozid.

Das UN-Gericht wird zunächst über die von Gambia beantragten Sofortmaßnahmen gegen Myanmar entscheiden, um die noch im Land lebenden rund 600.000 Rohingya zu schützen. Ein Urteil darüber wird in wenigen Wochen erwartet. Beobachter rechnen damit, dass das Gericht der Klage stattgeben wird.

Anders ist das allerdings beim Hauptverfahren. Einem Staat Völkermord nachzuweisen, ist äußerst schwierig. Bisher erkannte das UN-Gericht nur den Massenmord von serbischen Einheiten an Muslimen in der bosnischen Enklave Srebrenica 1995 als Völkermord an. Für Myanmar ist der Fall vor dem UN-Gericht aber erst der Anfang. Auch das Weltstrafgericht hat Ermittlungen aufgenommen.

In den Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch wird das Verfahren übrigens aufmerksam verfolgt. Dort rufen die Leute nun: «Gambia, Gambia».

Informationen des Gerichts