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Neue Regeln für Erhalt von Hauptschulen: Städte mahnen

Hauptschule
Schüler lernen an einer Hauptschule. Foto: Julian Stratenschulte/Archivbild
Jahrelang ging es mit den Haupt- und Werkrealschulen abwärts. Die Eltern stimmten mit den Füßen ab und bevorzugten andere Schularten. Doch nun will Kultusministerin Susanne Eisenmann den Trend stoppen. Mit dieser Wende ist nicht jeder einverstanden.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Nach einer jahrelangen Schrumpfkur soll Haupt- und Werkrealschulen wieder neues Leben eingehaucht werden. Als Schulart für praktisch begabte junge Menschen halten die einen sie für unverzichtbar, so etwa Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), der Lehrerverband VBE und der Realschullehrerverband. Für andere wiederum ist sie ein Auslaufmodell, das durch die Realschule ersetzt werden soll, wie die Grünen im Landtag und der Städtetag fordern.

Der Kommunalverband stemmt sich dagegen, dass Kriterien für den Erhalt von Haupt- und Werkrealschulen aufgeweicht werden. «Wir sehen keinen Änderungsbedarf, die geltenden Bestimmungen haben sich bewährt», sagte Norbert Brugger, Bildungsdezernent des Kommunalverbandes, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Damit reagierte er auf Pläne Eisenmanns, ab dem Schuljahr 2020/21 nicht die Anmeldungen für die Eingangsklasse als Maßstab für den Erhalt einer Schule zu nehmen, sondern den Durchschnitt der Klassen fünf bis neun.

Dadurch würden aus Sicht des Städtetags Schulschließungen verhindert oder aufgeschoben. Das Ministerium hingegen will die mühsam durchgesetzte regionale Schulentwicklung hinsichtlich der Werkreal- und Hauptschulen anpassen. Der grüne Koalitionspartner will da nicht mitziehen und mahnt Planungssicherheit an, die die regionale Schulentwicklung bringe.

Darunter ist die bewusste Planung der Schullandschaft zu verstehen mit dem Ziel, ein regional ausgewogenes Bildungsangebot mit allen Bildungsabschlüssen in zumutbarer Entfernung zu ermöglichen. Derzeit erhalten Schulen, die zwei Jahre in Folge weniger als 16 Anmeldungen für die fünfte Klasse haben, in der Regel keine neuen Schüler im dritten Jahr. Der Schulbetrieb läuft dann aus. Kultusministerin Eisenmann meint, der Blick auf mehrere Klassen werde dem Schultyp gerechter. Fast die Hälfte der Absolventen komme nicht gleich zu Beginn in diese Schulen, sondern erst später, etwa von Real- oder Gemeinschaftsschulen.

Auch die Chefin des Realschullehrerverbandes, Karin Broszat, will die Werkreal- und Hauptschulen gestärkt wissen: «Wir haben sehr, sehr schwache Kinder an unserer Schulart, die in der Hauptschule besser aufgehoben wären.» Es gebe auch wegen des Wechsels von zahlreichen Schülern des Gymnasiums auf die Realschule viele Klassen mit 30 Kindern. «Schwächere bleiben da auf der Strecke.»

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart lobte Haupt- und Werkrealschulen als Reservoir für den Nachwuchs im Handwerk. Der VBE warnte vor Gleichmacherei auf Kosten einer Schulart, die intensive pädagogische Betreuung biete.

Eisenmann ist CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021. Schulschließungen sind in der Bevölkerung sehr unbeliebt. Die SPD im Landtag sieht Eisenmann auf Stimmenfang. Sie hoffe, dass ihr mit der angekündigten nächsten Rettungsrunde für die Hauptschulen ein paar zusätzliche Wähler ins Netz gingen, sagte SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei.

Im Schuljahr 2016/17 gab es knapp 700 öffentliche Werkreal- und Hauptschulen im Land. Den Hauptschulabschluss können Schüler laut Städtetag an fast 1000 Standorten im Südwesten absolvieren- an Realschulen, Gemeinschaftsschulen und den noch bestehenden Werkrealschulen. «Auf den Kosten für Parallelstrukturen bleiben die kommunalen Schulträger sitzen», sagte Brugger. Der Erhalt kleiner Schulen komme aber auch das Land wegen nicht effizienten Einsatzes von Lehrkräften teuer zu stehen. Er plädierte für weitere Verbünde von Werkrealschulen und Realschulen als Alternative zu Schließungen.

Die grüne Bildungsexpertin Sandra Boser erteilte Veränderungen der regionalen Schulentwicklung eine Absage. «Lehrer, Eltern, Schüler und Schulträger brauchen Planungssicherheit und weniger Scheindebatten.» Zwar wechselten zahlreiche Realschüler auf die Werkreal- und Hauptschulen. Aber die Realschulen hätten auch den Auftrag, leistungsschwächere Schüler zum Hauptschulabschluss zu bringen. «Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf an den Realschulen», betonte die Abgeordnete.

Die veränderten Übergänge nach der Grundschule müssten auch in der Schulstruktur Niederschlag finden, forderte Brugger. Wechselten im Schuljahr 1995/96 37 Prozent aller Grundschulabgänger auf eine Werkreal- oder Hauptschule, so waren es zum ablaufenden Schuljahr noch 5,9 Prozent. Der rückläufige Trend wurde im Schuljahr 2018/19 allerdings durch eine leichte Zunahme um 0,2 Prozentpunkte gestoppt.

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