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Wenige Helfer: Spargel-und Erdbeerfelder schrumpfen

Spargelanbau
Erntehelfer stechen auf einem Feld frischen Spargel. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/Archiv
Bald ist wieder Spargel- und Erdbeerzeit - für die Bauern aber kein reiner Grund zur Freude. Saisonarbeiter fehlen, die Preise für die Ernte können oft mit denen aus dem EU-Ausland nicht mithalten. Das hat gravierende Folgen, befürchten die Landwirte.
Iffezheim.

Karlsruhe (dpa/lsw) - Der steigende Mindestlohn, viel zu niedrige Handelspreise und der zunehmende Mangel an Erntehelfern bringen Spargel- und Erdbeerbauern mehr und mehr in die Bredouille. «Wenn es so weitergeht, werden wir einen Großteil der Anbauflächen langfristig verlieren», sagte Nicole Spieß vom Landesbauernverband Baden-Württemberg. Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE) erwartet alleine für die Spargelfelder einen Rückgang um bis zu 30 Prozent in den nächsten sechs Jahren. «Ich sehe die Gefahr, dass es bald keine Sonderkulturen mehr gibt», ergänzte Franz Josef Müller vom Landesverband Erwerbsobstbau, der rund 3200 Obstbauern im Südwesten vertritt.

Nach Worten von VSSE-Geschäftsführer Simon Schumacher zeichnet sich für die bevorstehende Saison bereits ab, dass die Saisonarbeiter nur zögerlich zusagen. «Die Rückmeldungen sind verhalten, die Landwirte deshalb nervös», sagte er. Vor allem in Baden-Württemberg werde der Erntehelfer-Mangel, aber auch der Kostendruck durch den Mindestlohn zu Flächenrückgang führen.

«Bei uns in Deutschland gehören zu den Sozialstandards ordentliche Bezahlung, Unterkünfte, Aufenthaltsräume - aber wer ermöglicht uns eigentlich gute Preise für unsere Ware, damit wir diese Löhne auch bezahlen können?», fragte Müller, der selbst Sonderkulturen anbaut. Im Jahr 2017 habe er beispielsweise für ein Kilo Heidelbeeren noch 10,60 Euro bekommen, im Jahr darauf seien es nur noch 9,08 Euro gewesen - für ihn ein Verlust von 43 000 Euro, steigender Mindestlohn noch nicht abgezogen. «Für viele Betriebe wird es verdammt eng», sagte Müller.

Es sei nicht fair, dass in Spanien Erdbeeren im Rahmen des dort geltenden Mindestlohns für die Hälfte des deutschen Mindestlohnes geerntet würden, ergänzte auch Spieß. «Ein Handwerker kann seine Kosten an den Kunden weiterreichen, wir nicht», sagte Joachim Huber, der in Iffezheim (Kreis Rastatt) auf 45 Hektar Spargel und Erdbeeren anbaut. «Wenn sich die Großmarktpreispolitik nicht ändert, stellen wir den Absatz dorthin ein.»

Auch die Erntehelfer brechen weg. Ein Großteil der in Deutschland auf den Feldern arbeitenden Helfer komme inzwischen aus Rumänien - wandere aber zunehmend in Vollzeitbeschäftigung auf deutsche Baustellen oder zu Paketdiensten ab. Polen kämen ohnehin immer weniger, da sich in ihrem eigenen Land die wirtschaftliche Lage stetig verbessert habe. «Mit den Erntehelfern steht und fällt aber die ganze Branche», sagte Huber. Zehn Prozent seiner Erdbeerfelder habe er bereits abgebaut.

Einen Ausweg aus der Misere sieht der VSSE in mehrerlei Hinsicht: Zum einen reagierten die Bauern mit neuer Technik und effektiveren Anbaumethoden auf die veränderte Lage. «Wenn sich die Flächen reduzieren und auch die Technik immer mehr Einzug hält, dann sind wir auch auf dem Niveau, nicht mehr so viele Saisonarbeiter zu brauchen», sagte Schumacher. «Der Mangel an Erntehelfern ist auch ein Innovationstreiber.»

Zum anderen hofften die Landwirte schon seit längerem auf bilaterale Abkommen mit Nicht-EU-Ländern wie etwa der Ukraine, um von dort Erntehelfer zu holen. «Keine gute Entwicklung» sieht darin die Gewerkschaft IG Bau. Als Nicht-EU-Bürger seien diese Arbeitnehmer noch viel abhängiger von ihrem Arbeitgeber als ohnehin schon.

Link zur Pressemitteilung der IG Bau über Arbeitsmissbrauch

Link zum Bericht der IG Bau zum Arbeitsmissbrauch