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Extremismus
Geplante Lauterbach-Entführung: Anklage

Geplante Lauterbach-Entführung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Carsten Koall
Erst fliegt eine Gruppe auf, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen wollte. Später wird auch eine pensionierte Lehrerin verhaftet. Jetzt soll fünf Beschuldigten der Prozess gemacht werden.

Karlsruhe/Koblenz. Ein Stromausfall in ganz Deutschland und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollten erst der Anfang sein: Eine mutmaßliche Terrorgruppe aus dem «Reichsbürger»-Milieu, die den Sturz der Bundesregierung geplant haben soll, muss sich aller Voraussicht nach bald vor dem Koblenzer Oberlandesgericht verantworten. Am 16. Januar sei dort Anklage erhoben worden, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Montag mitteilte. Die vier Männer und eine Frau sitzen schon länger in Untersuchungshaft.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund vor. Drei der Männer und die Frau sollen in der Gruppe Rädelsführer gewesen sein, zwei der Männer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben.

Festnahmen im vergangenen Jahr

Die vier Männer waren am 13. April 2022 an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen worden. Wie aus einem im November veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorging, spielte dabei ein verdeckter Ermittler eine zentrale Rolle, der monatelang «im unmittelbaren Umfeld der Beschuldigten» eingesetzt war. Einer der Angeklagten hatte diesen verdeckten Ermittler unmittelbar vor seiner Festnahme zu einem Waffengeschäft getroffen.

Bei bundesweiten Durchsuchungen waren damals etliche Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt worden. Wenig später hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Mitte Oktober ließ sie dann noch in Sachsen die Frau festnehmen - eine pensionierte Lehrerin.

Nach den Erkenntnissen der Ermittler prägte sie maßgeblich die Ideologie der Gruppe, der zufolge das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter existiere - die staatliche Grundordnung der Bundesrepublik könne daher keine Geltung beanspruchen. Gemeinsames Ziel sei es gewesen, «mittels Gewalt sowie zumindest unter Inkaufnahme von Todesopfern in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen».

«Konkrete Vorbereitungen»

Dafür gab es laut Bundesanwaltschaft «zunehmend konkrete Vorbereitungen» und einen «dreistufigen Aktionsplan»: Erst sollte demnach ein längerer bundesweiter Stromausfall herbeigeführt werden. Dann wollte die Gruppe den Bundesgesundheitsminister entführen. Beides sollte Chaos auslösen, um die Macht übernehmen zu können. Angedacht war unter anderem, den Bundespräsidenten oder Kanzler live im Fernsehen durch einen Schauspieler imitieren zu lassen - um die Absetzung der Bundesregierung bekanntzugeben. In der neuen Führung hätten sich vier der Angeklagten dann zentrale Funktionen zugedacht.

Wie es weiter hieß, hätten zwei der Männer spätestens seit Oktober 2021 in verschiedenen Chatgruppen Unterstützer gesucht. Zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 habe es vier Zusammenkünfte in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen gegeben, bei denen «das weitere konkrete Vorgehen geplant und fortentwickelt» worden sei.

Zulassung der Anklage wird geprüft

Eine Sprecherin des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz sagte, der Staatsschutzsenat werde nun prüfen, ob er die Anklage zulasse und das Hauptverfahren eröffne. Die Tatvorwürfe seien umfangreich, es müsse gründlich geprüft werden. Weil alle fünf in U-Haft seien, gelte aber das Beschleunigungsgebot in Haftsachen. Das OLG Koblenz sei gewählt worden, weil einer der Angeschuldigten aus dem rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße stamme. Die drei anderen Männer kommen nach früheren Angaben aus Falkensee bei Berlin sowie aus den Kreisen Landshut (Bayern) und Ammerland (Niedersachsen).

Landesinnenminister Michael Ebling (SPD) sagte: «Unser Frühwarnsystem, der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz, hat funktioniert.» Nun habe er großes Vertrauen in die Justiz. «Wer einen Umsturz des Staates im Sinn hat, muss besonders deutlich merken, dass dieser Rechtsstaat wehrhaft ist und funktioniert.»

Im Sommer hatte Generalbundesanwalt Peter Frank angekündigt, künftig stärker gegen sogenannte Reichsbürger vorgehen zu wollen. Am 7. Dezember hatte die Bundesanwaltschaft bei einer Großrazzia in der Szene 25 Beschuldigte festnehmen lassen - darunter frühere Offiziere und Polizeibeamte sowie eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete. Auch ihnen wird die Planung eines Staatsumsturzes vorgeworfen.

© dpa-infocom, dpa:230123-99-325838/5