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Corona-Gipfel am Mittwoch
Längerer Teil-Lockdown absehbar - offene Fragen bei Schulen

Teil-Lockdown
Tische und Stühle stehen abgesperrt vor einer Pizzeria in Hannover. Der von Bund und Ländern beschlossene Teil-Lockdown wird möglicherweise verlängert. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Coronavirus
„Zutritt nur mit Mundschutz! außer Schüler*innen nund Mitarbeiter*innen“ steht am Eingang zu einer Waldorfschule in Berlin-Mitte. Foto: Annette Riedl/dpa
Michael Müller
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller: Corona-Maßnahmen können noch nicht aufgehoben werden. Foto: Odd Andersen/AFP/POOL/dpa
Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es weitergeht mit den Corona-Maßnahmen - und wie Deutschland Weihnachten und Silvester verbringt. Einige Punkte zeichnen sich schon.

Berlin (dpa) - Die Hoffnung vieler Menschen in Deutschland auf ein baldiges Ende des Teil-Lockdowns wird sich angesichts hoher Infektionszahlen wohl zerschlagen. Nach Abstimmungen zwischen den Ländern zeichnet sich am Montag vielmehr eine Verlängerung ab.

Die Schließungen in Gastronomie, Kultur- und Freizeitbereich werden demnach um mindestens drei Wochen bis zum 20. Dezember fortgesetzt. Im Gespräch waren zudem schärfere Kontaktbeschränkungen für private Treffen und womöglich eine erweiterte Maskenpflicht an Schulen.

Das ging aus Papieren der unionsgeführten Länder sowie Berlin als Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Im Verlauf des Montag wollten die Länder intern einen gemeinsamen Vorschlag über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie abstimmen. Am Abend besprachen sich dazu stundenlang die Ministerpräsidenten in einer Video-Schalte.

Am Mittwoch steht dann die nächste Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an: Dort werden dann weitreichende Beschlüsse erwartet, die über den Dezember mit der Weihnachtszeit hinausgehen sollen.

Nach einem bereits am Sonntag bekanntgewordenen Beschlussentwurf des aktuellen MPK-Vorsitzenden, Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), sollen zumindest die Kontaktbeschränkungen über die Weihnachtstage etwas gelockert werden - damit Familien die Festtage gemeinsam verbringen können. Generell sollen sie aber bis Mitte Januar gelten.

Vorgeschlagen wird außerdem, ab 20. Dezember die Anti-Corona- Maßnahmen immer um jeweils 14 Tage zu verlängern, wenn das Infektionsgeschehen nicht deutlich abnimmt. Davon ist im Papier der unionsgeführten Länder jedoch keine Rede. Die Unionsländer schlagen vor, dass Länder, die weniger als 50 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner verzeichnen, den Teil-Lockdown abmildern können - im Papier Berlins ist von einem Wert von 35 die Rede. Ob ein Böllerverbot zu Silvester im Kampf gegen die Pandemie helfen kann, wird zwischen den Ländern kontrovers diskutiert.

MPK-Chef Müller begründete die Verlängerung des Teil-Lockdowns mit der hohen Belastung des Gesundheitswesens in Deutschland. «Es gibt Bundesländer, wo sich die Infektionszahlen nach unten entwickeln, in anderen Bundesländern, vor allen Dingen auch in den Großstädten, stagnieren die Zahlen nur», sagte er am Montag in der ARD-«Tagesschau». «Und das ist etwas, was noch nicht ausreicht, um unser Gesundheitssystem zu entlasten.»

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) unterstrich, die Regierungschefs der Länder seien sich einig, dass jetzt keine Zeit für Lockerungen sei. «Wir plädieren daher für eine Verlängerung des Teil-Lockdowns.» Wie Haseloff warb auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dafür, dass die Kontaktbeschränkungen an den Weihnachtstagen und zum Jahreswechsel gelockert werden. «Ich finde es richtig, dass man zu Weihnachten ermöglicht, dass wenigstens zehn Personen zusammenkommen können», sagte sie im Deutschlandfunk. Zugleich müssten Lockerungen möglich sein für Gebiete, die deutlich und dauerhaft weniger als 50 Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner haben.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die zweite Welle sei zwar gebrochen, das Niveau sei aber weiter zu hoch. Das Virus zwinge dazu, auf einige Freiheiten eine Zeit lang zu verzichten, um Freiheit und Gesundheit insgesamt zu erhalten und zurückzugewinnen. Kanzlerin Merkel will am Donnerstag nach den Beratungen von Bund und Länden zur Corona-Krise eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben, wie Regierungssprecher Steffen Seibert ankündigte.

Die Vorschläge des MPK-Vorsitzes, die unter anderem der «Berliner Morgenpost», dem Wirtschaftsmagazin «Business Insider» und der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, sehen Folgendes vor:

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Die Menschen bleiben aufgerufen, jeden nicht notwendigen Kontakt zu vermeiden und möglichst zu Hause zu bleiben. Zur weiteren Vermeidung von Kontakten werden die Arbeitgeber gebeten, unbürokratisch Homeoffice zu ermöglichen. Die für November geltenden Maßnahmen sollen bundesweit bis zum 20. Dezember verlängert werden.

Länder, die weniger als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen und eine sinkende Tendenz dieses Wertes verzeichnen, sollen davon schon vor dem 20. Dezember abweichen können. Wird bis zum Stichtag keine bundesweit signifikant sinkende Tendenz erreicht, sollen die Maßnahmen für jeweils 14 Tage verlängert werden, bis dieses Ziel erreicht ist. Die Position der Unionsländer weicht ab: Sie wollen den Ländern bereits bei weniger als 50 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern Lockerungen ermöglichen. Über eine Fortsetzung der Schließungen solle demnach am 15. Dezember beraten werden.

PRIVATE ZUSAMMENKÜNFTE: Bis 17. Januar sieht der Berliner Vorschlag weitere erhebliche Kontaktbeschränkungen vor, um die Infektionen mittelfristig zu reduzieren. So sollen private Zusammenkünfte mit Verwandten und Bekannten auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Fall auf maximal fünf Personen beschränkt werden. Kinder bis 14 Jahre sollen von dieser Regel ausgenommen werden.

WEIHNACHTEN: Bei den Vorschlägen für die Weihnachtstage gab es in dem Entwurf eckige Klammern, über deren Inhalt noch beraten werden muss. So sollen nach den Vorstellungen des MPK-Vorsitzes die Obergrenzen für Zusammenkünfte in Gebäuden und im Freien vom 21. bis zum 27. Dezember - also über die Weihnachtstage - erweitert werden auf einen Haushalt mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden Personen bis maximal fünf Personen. Alternativ gibt es die Überlegung, diesen Zeitraum vom 21. Dezember bis zum 3. Januar auszudehnen und die Beschränkung auf maximal zehn Personen festzulegen. Kinder bis 14 Jahre sollen jeweils ausgenommen werden.

Wo immer möglich, solle man sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne begeben. Diese Regel ist allerdings lediglich als Appell formuliert.

SCHULEN: Schüler ab der siebten Klasse sollen auch im Unterricht Maske tragen. Gelten soll das für Schüler und Berufsschüler in Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen - was derzeit vielerorts der Fall ist. Schulen ohne Corona-Fälle können davon ausgenommen werden. Die Unionsländer wollen eine Maskenpflicht für alle Schüler auch im Unterricht.

Für die Schulen wird seitens des MPK-Vorsitzes eine Teststrategie vorgeschlagen: Tritt in einer Klasse ein Corona-Fall auf, soll diese Klasse zusammen mit den betroffenen Lehrkräften für fünf Tage in Quarantäne. Am fünften Tag soll es für alle einen Schnelltest geben. Fällt der negativ aus, kann die Klasse wieder an die Schule. Der Bund solle zusätzliche Kapazitäten von Antigen-Tests zur Verfügung stellen.

Die Ausgestaltung weiterer Maßnahmen wie etwa Wechselunterricht wird den Ländern überlassen. Schülerfahrten und internationaler Austausch sollen untersagt bleiben. Es wird empfohlen, den Unterrichtsbeginn zu staffeln, um den Schulverkehr zu entzerren.

SILVESTER: Verkauf, Kauf und Zünden von Feuerwerk soll nach dem Müller-Papier verboten werden. Damit sollen Einsatz- und Hilfskräfte entlastet und die Kapazitäten des Gesundheitssystems frei gehalten werden. Die Unionsländer wollen nur Feuerwerk auf belebten Plätzen verbieten und ansonsten einen Verzicht lediglich empfehlen.

MUND-NASEN-BEDECKUNG: Für öffentliche Verkehrsmittel sowie in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, soll es eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung geben. Auch an Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen auf engem Raum aufhalten, soll demnach eine das Tragen einer solchen Bedeckung vorgeschrieben werden. Jene Orte sollen von den zuständigen Behörden festgelegt werden. Auch in Arbeits- und Betriebsstätten soll eine Maske getragen werden. Am jeweiligen Arbeitsplatz soll das nicht gelten, wenn ein Abstand von 1,5 Metern zu einer weiteren Person eingehalten werden kann.

HOCHSCHULEN UND UNIVERSITÄTEN: Sie sollen grundsätzlich auf digitale Lehre umstellen. Ausnahmen soll es nur für Laborarbeiten, Praktika und Prüfungen geben.

GOTTESDIENSTE: Bund und Länder sollen das Gespräch mit den Religionsgemeinschaften suchen, um möglichst Vereinbarungen für Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte zu treffen. Auch hier wieder das Ziel: Kontakte reduzieren. Religiöse Zusammenkünfte mit dem Charakter von Großveranstaltungen sollen vermieden werden.

WIRTSCHAFT, KULTUR, REISEBRANCHE, SOLOSELBSTSTÄNDIGE: Auch die staatlichen Hilfen für betroffene Betriebe sollen bis 20. Dezember verlängert werden. Die Ausgaben für diese Unterstützung im November werden auf 15 Milliarden Euro beziffert.

Vorgeschlagen wird auch, Hilfsmaßnahmen für Branchen, die absehbar in den kommenden Monaten weiterhin «erhebliche Einschränkungen» hinnehmen müssten, bis Mitte 2021 zu verlängern. Genannt werden die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, Soloselbstständige und die Reisebranche.

REISERÜCKKEHRER: Der Entwurf schlägt vor, dass die häusliche Quarantäne bei Reiserückkehrern und Kontaktpersonen einheitlich auf zehn Tage im Regelfall festgelegt werden soll - gerechnet ab dem Tag der Einreise beziehungsweise dem letzten Tag des Kontakte.

GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG: Die Länder wollen den Bund nach dem Entwurf bitten, wie eine steuerfinanzierte Stabilisierung der GKV-Beiträge aussehen könnte, damit die durch die Pandemie im Gesundheitswesen verursachten Kosten nicht einseitig durch die gesetzlich Versicherten abgefedert werden müssen. Als Möglichkeit wird ein Solidaritätszuschlag genannt.

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