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Corona-Krise
Lehrerverband: Milliarden für Schüler-Nachhilfe gebraucht

Bildung
Bei rund 1,5 Millionen Schülern ist durch die Corona-Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass mindestens 80 Prozent der Schüler wegen der Corona-Krise eine zusätzliche Lernförderung brauchen. Die Kosten dafür gehen in die Milliarden.

Berlin (dpa) - Das Aufholen coronabedingter Lernrückstände von Schülern erfordert nach Schätzungen des Deutschen Lehrerverbands (DL) rund zwei Milliarden Euro.

DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Viele Kinder und Jugendliche werden zukünftig begleitende Förderangebote etwa in Form zusätzlichen Nachmittagsunterrichts oder digitaler Nachhilfe brauchen.» Beim Großteil der Schülerinnen und Schüler könnten die coronabedingten Lerndefizite in den nächsten zwei Schuljahren wieder aufgeholt werden. Bei mindestens 20 Prozent der Schüler gehe er davon aus, dass wegen der Corona-Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden sei. «Da haben wir Bedenken, ob sie überhaupt noch den verpassten Stoff aufholen können.»

Zwischen 300 und 600 Präsenz-Unterrichtsstunden seien je nach Bundesland, Schulart und Infektionslage inzwischen weggefallen und nur teilweise durch Distanzunterricht ersetzt worden, so Meidinger. Er erwarte daher, dass eine Lernförderung über mehr als nur ein Schuljahr laufen müsse. «Das ist eine Langstrecke und nicht nur eine vorübergehender Förderung, die man nach wenigen Wochen und Monaten abhaken kann.»

Ähnliche Zahlen hatte zuletzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) genannt. Die Studie des arbeitgebernahen Instituts geht laut einem Bericht der «Rheinische Post» zufolge von rund 1,5 Millionen Schülern aus, bei denen durch die Krise ein stark erhöhter Förderbedarf entstanden ist. Die Autoren rechnen mit einem durchschnittlichen Förderbedarf von rund 100 Stunden pro betroffenem Schüler - und kommen so auf eine Fördersumme von 1,5 Milliarden Euro.

Über ein entsprechendes Förderprogramm beraten Bund und Länder bereits seit einigen Wochen: Im Gespräch ist eine «Nachhilfe-Milliarde». Dies sei der Bedarf für die Kernfächer, erklärte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die SPD-geführten Länder schlagen vor, rund jedem fünften der 11 Millionen Schüler zusätzlichen Unterricht anzubieten - entweder über ein ganzes Schuljahr zwei Stunden pro Woche oder über ein halbes Schuljahr vier Stunden.

Karliczek sagte: «20 bis 25 Prozent der Schüler haben vermutlich große Lernrückstände - vielleicht sogar dramatische.» Möglichst schon zu den Sommerferien, spätestens zum neuen Schuljahr würden entsprechende Förderangebote bereitgestellt, für Deutsch, Mathematik und möglicherweise die erste Fremdsprache. Zielgruppe seien vor allem Schülerinnen und Schüler, bei denen ein Wechsel bevorstehe - entweder auf eine weiterführende Schule oder in eine Ausbildung. Der jeweilige Bedarf müsse «vorher in einer Lernstandserhebung ermittelt werden».

Auch DL-Präsident Meidinger forderte eine baldige Bestandsaufnahme über den Lernstand: «Wir brauchen möglichst bald einen Überblick vorrangig in den Kernfächern, wo die Schüler stehen und wie groß die Lücken sind.» Auf der Grundlage dieser Diagnose sollte dann gemeinsam mit Eltern und Kindern beraten werden, welche Maßnahmen nötig und sinnvoll sind, um die Zukunftschancen sowie die weitere Bildungslaufbahn und die angestrebten Schulabschlüsse zu sichern.

Bei Schülern, die starke Defizite aufweisen, wäre auch ein zusätzliches Schuljahr denkbar, so Meidinger. «Man könnte neben dem individuellen freiwilligen Wiederholen an größeren Schulen eigene Lerngruppen bilden, in denen die Lücken aus den letzten zwei Schuljahren aufgeholt werden.» Das könnte auch den Druck mindern, neben dem Lernen des neuen Stoffs gleichzeitig den alten nachholen zu müssen. Meidinger sagte: «Freizeit und Hobbys sind im Lockdown sowieso schon genug auf der Strecke geblieben.»

Der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, begrüßte das zusätzliche Förderangebot an Schulen. Er forderte jedoch, auf eine zeitliche Begrenzung zu verzichten. «Ein auf zwei Jahre befristetes Förderprogramm wird den bevorstehenden Herausforderungen nicht gerecht werden können. Es muss daher jetzt schon darüber nachgedacht werden, wie das nun zu spannende Auffangnetz verstetigt werden kann, um langfristig zu wirken.»

© dpa-infocom, dpa:210327-99-991832/5