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Tierhaltung
Stunk um Ziegen-Gestank: Urteil bringt wenig Klarheit

Ziegenbock "Zoltan"
Der Ziegenbock "Zoltan" steht in einem eigenen Gehege auf dem Grundstück. Um seinen Geruch streiten sich Nachbarn seit Jahren. Foto: Nicolas Armer/dpa
Eigentlich ist es nur ein Streit unter Nachbarn. Doch der Konflikt um einen stinkenden Ziegenbock brachte eine ganze Gemeinde in Aufruhr. Aber stinkt der Bock wirklich so stark oder ist er nur ein Sündenbock?

Bayreuth (dpa) - Alles dreht sich um Zoltan, einen stolzen Bock der Rasse Thüringer Waldziege. Geschwungene Hörner, braunes Fell und ein Bart mit blonden Strähnchen. Aber Zoltan stinkt teilweise bestialisch - behauptet zumindest die Nachbarin.

Tatsächlich darf der Bock mit seinen Duftstoffen die Nachbarin nicht wesentlich beeinträchtigen, verkündete das Landgericht Bayreuth am Donnerstag.

Schon seit Jahren hält eine Familie aus dem Landkreis Kulmbach nahe Bayreuth drei bis sechs Ziegen. Ihr Traum: Eine richtige Ziegenherde mit rund 40 Muttertieren und einem Bock. «Wir wollten die Käserei ausbauen», erzählt die Inhaberin der Ziegenherde. Auf dem geerbten Hof wieder eine kleinbäuerliche Landwirtschaft hochziehen, einen Milchziegenbetrieb mit eigenem Hofladen. Also funktionierten sie vor knapp drei Jahren eine alte Scheune, die direkt an das Nachbargrundstück grenzt, zu einem Ziegenstall um.

Der Nachbarin stinkt das gewaltig. Vor allem bei schwülem Wetter und entsprechender Windrichtung habe es «sehr stark» nach Ziegenbock gerochen. «Wäschetrocknen bei dieser Situation war nicht mehr möglich, man konnte sich auch nicht mehr vor dem Haus in den Garten setzen», berichtet ihr Anwalt. Als Inhaberin eines Betriebs habe sie sogar Gespräche mit Kunden wieder abbrechen müssen.

Die Nachbarin fand heraus, dass eine solche Nutzungsänderung erst genehmigt werden muss. «Wir wussten das nicht», beteuert die Besitzerin der Ziegenherde. Der Gemeinderat habe ihrem Antrag dann einstimmig zugestimmt - «allerdings mit Hinweis auf immissionsschutzrechtliche Problematiken», teilt der Bürgermeister auf Nachfrage mit.

Das muss die Baugenehmigungsbehörde prüfen, also das Landratsamt Kulmbach. Dabei ging es auch um die Frage, ob der Ort mit seiner Neubausiedlung überhaupt noch als Dorf durchgeht. Für eine Siedlung würden nämlich strengere Regeln für Lärm und Gerüche gelten. Plötzlich beschäftigte der Streit den ganzen Ort, Unterschriftenaktionen wurden gestartet und die Nachbarin erhielt anonyme Drohungen. Es gebe zumindest eine «Tendenz zum Dorfgebiet», stellte das Landratsamt schließlich fest. Eine Ziegenhaltung wäre so gesehen möglich.

Aber damit nicht genug: Wegen eines einzigen Ziegenbocks schaltete die Behörde noch einen Umweltschutzingenieur und das Amt für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft (AELF) ein. «Die Ziegenhaltung ist in allen Bereichen top», betont Renate Baierlein, AELF-Fachberaterin für Schafe, Ziegen und Gehegewild. «Der Ziegenbock war etwas abseits der Ziegen in weiterer Entfernung zur Nachbargrenze separat untergebracht in Sichtkontakt zu den Ziegen.»

Das soll den Geruch mindern, erklärt die Inhaberin der Ziegenherde. Denn der Bock stinke besonders, wenn er Bock habe. Zur Paarungszeit im Hochsommer locke er mit den Duftstoffen Ziegen an. «Wir gehen zwei Mal am Tag mit dem Bock am Strick durch die Herde.» Das Decken dauere nicht länger als zehn Minuten und sei hinnehmbar - zumal die Nachbarin in ihrem Garten selbst Ziegen halte. «Es ist ein Unterschied, ob ich vier Ziegen halte, die nicht riechen, oder 40 Muttertiere samt Bock», entgegnet der Anwalt der Nachbarin.

Mit der Entscheidung des Landratsamts sind jedenfalls beide nicht einverstanden. Die Ziegenhaltung ist demnach genehmigt - aber nur unter einer Bedingung: Die Tiere müssten auf einer Länge von 35 Metern sieben Meter Abstand zum Nachbargrundstück einhalten. «Das reicht hinten und vorne nicht», sagt der Anwalt, der vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bescheid vorgeht.

«Das geht nicht», meint auch die Ziegenhalterin, die gegen die Abstands-Auflage vor dem Verwaltungsgericht klagt. «Dann wären die Wirtschaftswege verbaut.» Auch eine Verlagerung des Stalls auf dem etwa 40 000 Quadratmeter großen Grundstück, bei der sich die Nachbarin sogar beteiligen wollte, käme aus Kostengründen nicht in Frage. «Wir bräuchten dafür mindestens die doppelte, dreifache Anzahl an Tieren, damit sich das langfristig rechnet.»

So scheiterten zahlreiche Gespräche und die Nachbarin startete das nächste Verfahren vor dem Landgericht, das ein Geruchsgutachten anforderte. Das Ergebnis: In Teilen des Nachbargartens überschreite der Geruch die üblichen Werte, am Wohnhaus sei er aber ertragbar.

Tatsächlich habe der Gestank inzwischen nachgelassen, meint auch der Anwalt der Nachbarin. «Das hat sich schlagartig geändert.» Seit dem Frühjahr sei «überhaupt kein Ziegenbock mehr zu riechen.» Der Prozess vor dem Landgericht sei trotzdem wichtig. «Wenn einmal eine so wesentliche Beeinträchtigung da war, dann besteht sozusagen eine Wiederholungsgefahr», erklärt der Anwalt.

Zu diesem Schluss kommt nun auch das Landgericht: Bei einem Ortstermin konnte der Richter keinen starken Geruch feststellen. Doch Zeugen und ein Gutachter hätten überzeugend dargelegt, dass «hier tatsächlich eine grenzwertige Situation besteht». Sollte Zoltan also wieder unerträglich stinken, drohe seinen Haltern ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Haftstrafe.

Die Ziegenhalterin glaubt nicht, dass der Streit mit dem Urteil am Donnerstag beendet ist. Inzwischen werde auch über verschiedene Baugenehmigungen und eine Brandschutzwand gestritten. «Der Bock wird hier doch nur zum Sündenbock gemacht.»

© dpa-infocom, dpa:200910-99-502088/4