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Schleswig-Holstein
Tödlicher Messerstich auf 16-Jährigen - Jugendstrafe

Prozess in Flensburg
Der Angeklagte wurde zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Foto: Axel Heimken/dpa
Ein 19-Jähriger ersticht in Flensburg einen drei Jahre jüngeren Jugendlichen - die Tat am Karfreitag löst tiefe Betroffenheit aus. Nun hat das Landgericht Flensburg sein Urteil verkündet.

Flensburg (dpa) - Es war eine Tat, die große Bestürzung nicht nur in Flensburg auslöste.

Ein 19-Jähriger sticht an Karfreitag gegen 18.20 Uhr auf einer Aussichtsplattform oberhalb der Stadt in der Nähe der dänischen Gemeinschaftsschule Duborgskolen einem drei Jahre jüngeren Jugendlichen mit einem Küchenmesser ins Gesicht. Dieser hatte ihn zuvor am Kragen gepackt und ins Gesicht geschlagen. Im Krankenhaus stirbt der 16-jährige Deutsche wenig später.

Die Große Jugendkammer des Landgerichts Flensburg hat den heute 20 Jahre alten, ebenfalls deutschen Angeklagten am Mittwoch wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Auch Nebenklage und Verteidigung hatten Jugendstrafen wegen Totschlags gefordert. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.

Der Angeklagte war geständig

Die Frage, wer der Täter war, sei leicht zu beantworten gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin. Der Angeklagte habe gestanden, zudem habe es Zeugen gegeben. Schwieriger sei die Frage zu klären gewesen, was vor der Tat geschah, warum es zu dem tödlichen Stich auf den Jungen kam, den der damals noch 19-Jährige kaum kannte.

Der Angeklagte wurde im Prozess, der zu großen Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, von diversen Zeugen als konfliktscheu oder «Opfertyp» beschrieben, sagte die Vorsitzende Richterin. Durch Gewalt sei er nicht aufgefallen. Bereits als Kind sei der Angeklagte von anderen Kindern drangsaliert worden, die schnell gemerkt hätten, dass der Junge sich nicht wehrte.

Den 16-Jährigen kannte der Angeklagte demnach nur oberflächlich. Von ihm sei er öfters beleidigt worden. Auch hätte der Jüngere eine Art Betretungsverbot für den Bereich rund um die Aussichtsplattform für den 19-Jährigen ausgesprochen. Der Grund für die Abneigung könnte laut Gericht ein Vorfall gewesen sein, in den Freunde des Älteren involviert waren, nicht aber der Angeklagte selbst.

Minderwertigkeitsgefühle

Der Angeklagte habe eine große Wut auf den 16-Jährigen gehabt, sagte die Vorsitzende Richterin. Er habe sich von diesem ungerecht behandelt und gemobbt gefühlt. Diese Wut kanalisierte er in Rache- und Tötungsfantasien. So schrieb er eine Liste mit Arten, wie er den Jüngeren umbringen würde. Dessen Namen schrieb er zudem auf die spätere Tatwaffe, entfernte ihn aber vor der Tat wieder. Einen konkreten Plan, den anderen Jugendlichen umzubringen, habe er aber nicht gehabt.

Am Tattag sei der Angeklagte mit einem Freund zur Aussichtsplattform gegangen, obwohl er gewusst habe, dass sich der Jüngere dort oft aufhalte und sein Erscheinen als Provokation verstehen würde, sagte die Kammervorsitzende. Als der 16-Jährige den Älteren gesehen habe, sei er auf diesen zugekommen - aus Ärger, dass sich der damals 19-Jährige nicht an das von ihm erteilte Betretungsverbot hielt.

Der Angeklagte habe den 16-Jährigen gefragt, was dieser für ein Problem mit ihm habe. Daraufhin schlug der Jüngere mit der Faust zu, was den Angeklagten, der aus seiner Opferrolle ausbrechen wollte, nach Ansicht des Gerichts sehr ärgerte. Aus Wut, aber auch wegen der in vielen Jahre erlebten Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühle zog er überraschend das Messer und stach zu. Er habe den Tod des Jüngeren zumindest billigend in Kauf genommen, so die Vorsitzende Richterin.

© dpa-infocom, dpa:211124-99-124968/5