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Einwanderung
Union macht Front gegen leichtere Einbürgerung

Einbürgerungsurkunde
Ausländer in Deutschland sollen nach Plänen der Bundesregierung leichter eine Staatsangehörigkeit erhalten können. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez
Bundesinnenministerin Faeser will das Staatsbürgerschaftsrecht reformieren. CDU und CSU halten das nicht für notwendig. Und auch in der Ampel-Koalition gibt es Vorbehalte.

Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stößt mit ihren Plänen zu Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf heftigen Widerstand der Union. Aber auch FDP-Politiker erhoben Bedenken.

Das Innenressort verweist darauf, dass die erleichterte Einbürgerung im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Im Bundesinnenministerium sei man daher «sehr optimistisch», dass die weitere Abstimmung mit den anderen Ressorts der Regierung bald abgeschlossen werden könne, sagte Ministeriumssprecher Maximilian Kall.

Laut Gesetzentwurf des Innenministeriums soll man statt wie bislang nach acht Jahren künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland die Staatsbürgerschaft erhalten können. Bei «besonderen Integrationsleistungen» soll dies schon nach drei Jahren möglich werden - etwa wenn Einwanderer besondere schulische oder berufliche Leistungen oder ehrenamtliches Engagement gezeigt haben oder über besonders gute Sprachkenntnisse verfügen. Für Ausländer, die das 67. Lebensjahr vollendet haben, sollen zudem die bislang geltenden Anforderungen an das Sprachniveau gesenkt werden.

«Erst Integration, dann Staatsbürgerschaft»

Die Union hält nichts von den Plänen. Der deutsche Pass dürfe nicht entwertet werden, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja der «Rheinischen Post». Es müsse weiter gelten: «erst Integration, dann Staatsbürgerschaft». Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit stehe daher am Ende, «nicht am Anfang eines Integrationsprozesses».

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Anstatt die Migration zu steuern, verteilt die Ampel immer mehr Bleiberechte für abgelehnte Asylbewerber.» Demnächst solle «sogar die deutsche Staatsangehörigkeit großflächig verteilt werden, ohne zu verlangen, dass die bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben wird». Wer aber ein «Bekenntnis für Deutschland» wolle, müsse eine solche Entscheidung erwarten dürfen.

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte in Berlin: «Es gibt keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regeln etwas zu ändern.» Es müsse zunächst eine Integrationsleistung eingefordert werden, am Ende könne dann die Einbürgerung stehen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwies in München darauf, dass sich der Zuzug von Migranten im Vergleich zum letzten Jahr vervielfacht habe und die Unterbringungsverwaltungen in Ländern und Kommunen am Limit seien. Herrmann sieht das als Anlass, auf der anstehenden Innenministerkonferenz anzumahnen, auf keinen Fall weitere Zuwanderungsanreize zu setzen. Herrmann vermisst zudem Aktivitäten zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber. «Wo bleibt die seit einem Jahr angekündigte Rückführungsoffensive? Wo bleiben die im Koalitionsvertrag versprochenen Abkommen mit den Herkunftsländern abgelehnter Asylbewerber», fragte der CSU-Politiker.

Für die FDP geht das Vorgehen von Faeser zu schnell

Bedenken gegen die Pläne der Innenministerin hat auch die FDP. Deren Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der «Rheinischen Post»: «Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts. Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration.» So hätten es die zuständigen Ressorts nicht einmal geschafft, den dafür von der Koalition geplanten Sonderbeauftragten zu benennen. Die Ampel dürfe daher den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen, sagte Djir-Sarai.

Auch der FDP-Spitzenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht das Vorgehen von Faeser zu schnell. Es sei richtig, dass diejenigen, die in Deutschland lange leben und arbeiten, schneller integriert werden sollten, sagte Strack-Zimmermann, im «Frühstart» von RTL/ntv. «Aber bevor Frau Faeser das zur Chefinnen-Sache macht, sollte sie erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die, die möglicherweise auch gesetzlich aufgefallen sind, dass die erst mal ordentlich zurückgeführt werden.» Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter, bei Einwanderung gelte, «dass alle helfenden Hände im Arbeitsmarkt willkommen sind, aber niemand, der nur die Hand im Sozialsystem aufhalten möchte». Das gelte auch für die Staatsbürgerschaft.

Der FDP-Innenexperte Stephan Thomae bemühte sich, der Kritik führender Liberaler etwas die Spitze zu nehmen. Er sagte: «Grundsätzlich wollen wir auch Mehrstaatigkeit ermöglichen, allerdings mit klaren Regeln, damit sich doppelte Staatsangehörigkeiten nicht immer weiter vererben», sagte Thomae. Faesers Entwurf setze viele Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um - «in Detailfragen stehen wir aber noch Abstimmungsbedarf».

Die Bundesregierung will nicht nur die gesetzlichen Hürden für Einbürgerungen senken, sondern bei länger in Deutschland lebenden Ausländern auch aktiv für die deutsche Staatsbürgerschaft werben. Das kündigten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Parteikollegin, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, in Berlin bei einer Veranstaltung mit dem Titel «Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt» an.

Faeser sagte, ihr persönlich sei es wichtig, die Einbürgerung von Menschen aus der sogenannten Gastarbeiter-Generation zu vereinfachen. Das sei für sie auch eine Frage der Gerechtigkeit. Über die Union, die gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als Regelfall und gegen die geplante Verkürzung der Mindestaufenthaltsfristen ist, sagte Faeser: «Sie muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen.» Ihr gehe es darum, «den letzten Staub der Kaiserzeit aus dem Einbürgerungsrecht» zu klopfen, erklärte Alabali-Radovan.

Linke wirft Union «Kulturkampf von rechts» vor

Auch die Linke stellte sich hinter die Pläne Faesers und kritisierte die Haltung von CDU und CSU. Die Union drohe «in einen Kulturkampf von rechts zu verfallen», sagte Linken-Chef Martin Schirdewan.

Für eine Einbürgerung müssen Einwanderer laut der aktuellen Gesetzeslage ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine auf Dauer angelegte Aufenthaltserlaubnis besitzen. Sie müssen ihren Lebensunterhalt finanzieren können, ausreichend Sprachkenntnisse haben und Grundlagen der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie Lebensverhältnisse in Deutschland kennen. Letzteres wird durch einen Einbürgerungstest geprüft.

Zudem müssen Einwanderer in der Regel ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben. Ausnahmen davon gelten beispielsweise für EU-Bürger und Menschen, deren Herkunftsland sie an einer Aufgabe hindert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Anspruch auf Einbürgerung grundsätzlich nicht mehr davon abhängig ist, seine bisherige Staatsbürgerschaft aufzugeben.

© dpa-infocom, dpa:221127-99-687900/11