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Migration
Union fordert Flüchtlingsgipfel

Thorsten Frei
Fordert einen Gipfel, bei der es nicht nur um eine Verteilung der Kosten für die Aufnahme und Unterbringung Flüchtlingen gehen soll: CDU-Politiker Thorsten Frei. Foto: Soeren Stache
Immer wieder warnen Länder und Kommunen vor einer Überlastung bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Die Unionsfraktion sieht nun Kanzler Scholz in der Pflicht.

Berlin. Wegen zunehmender Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland hat die Spitze der Unionsfraktion einen Gipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Bundesländern gefordert.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte dem «Tagesspiegel am Sonntag», dort müsse über eine «Begrenzung der Asylmigration und eine Lösung für Verteilung, Versorgung und Unterbringung» gesprochen werden. «Es kann bei einem solchen Gipfel aber nicht allein um eine Verteilung der Kosten für Aufnahme und Unterbringung gehen. Wir müssen endlich über effektive Maßnahmen zur Begrenzung der Asylmigration sprechen», sagte er.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sagte am Sonntag in Berlin, die Lage für Städte und Gemeinden sei zweifelsohne herausfordernd. Man sei dazu mit den Kommunen und Kreisen im Austausch. Ein Spitzentreffen habe es bereits auf Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegeben. «Ein weiteres ist je nach Lage jederzeit machbar. Alles was an Unterstützung möglich ist, machen wir auch möglich.»

Zuvor hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wie bereits andere Vertreter von Ländern und Kommunen vor einer Überlastung durch steigende Flüchtlingszahlen gewarnt. Zugesagte Mittel des Bundes müssten endlich fließen, weitere Hilfe sei nötig, forderte Wüst laut «Welt am Sonntag» in einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Zudem bemängelte er, vom Bund bereitgestellte Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung seien häufig in unbrauchbarem Zustand.

So viele Asylanträge wie seit 2016 nicht mehr

In Deutschland hatten im vergangenen Jahr so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr. Knapp 218.000 Menschen stellten laut Jahresstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmalig in Deutschland ein solches Schutzersuchen. Das waren knapp 47 Prozent mehr als 2021. Die rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die im vergangenen Jahr in Deutschland Aufnahme fanden, mussten keinen Asylantrag stellen. Sie erhalten auf Basis einer EU-Richtlinie unmittelbar vorübergehenden Schutz.

Die Unterkünfte für Asylsuchende in Deutschland sind nach Recherchen und Berechnungen der «Bild» (Samstag) derzeit insgesamt zu 64 Prozent (43.672 von 67.877 Plätzen) ausgelastet. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine Statistik aus dem Bundesinnenministerium vom Januar 2023. In den Bundesländern sei die Quote unterschiedlich hoch, am niedrigsten liege sie demnach in Sachsen mit 18 Prozent und am höchsten in Thüringen mit 96 Prozent. In NRW lag sie laut «Bild» bei 58 Prozent, aus Sachsen-Anhalt gab es keine Angaben.

Umfrage: 51 Prozent meinen, Deutschland hat eher zu viele aufgenommen

In der Bevölkerung ist die Aufnahme von Flüchtlingen einer Umfrage zufolge derzeit umstritten. Die repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der «Bild am Sonntag» ergab, dass 51 Prozent der Bundesbürger der Meinung sind, Deutschland habe eher zu viele Geflüchtete aufgenommen. 33 Prozent halten die Anzahl demnach für angemessen, und 11 Prozent glauben, dass Deutschland mehr Menschen aufnehmen sollte.

Bundeskanzler Scholz betonte im Interview der «Bild am Sonntag», Deutschland brauche Fachkräfte aus dem nicht europäischen Ausland. Gleichzeitig sprach er sich für konsequenteres Abschieben aus. «Wenn Deutschland Menschen Schutz garantiert, die verfolgt werden, müssen diejenigen, die diesen Schutz nicht beanspruchen können, wieder zurück in ihre Heimat gehen», sagte der SPD-Politiker der Zeitung. Voraussetzung dafür sei, dass die Heimatländer ihre Landsleute auch wieder zurücknehmen, «daran hapert es noch oft». Im Gegenzug eröffne man legale Wege, damit Fachkräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen könnten.

Ampel setzt auf Migrationsabkommen

Dafür plant die Ampel-Koalition neue migrationspolitische Maßnahmen. Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, warb für Migrationsabkommen mit Partnerländern, die ein Kontingent von regulären deutschen Visa für ihre Bürger angeboten bekommen sollen - unter der Voraussetzung, dass sie Straftäter, Gefährder und illegal nach Deutschland eingereiste Staatsbürger zurücknehmen, also Abschiebungen ermöglichen. «Wir wollen Chancen schaffen, dass sich eine begrenzte und kontingentierte Anzahl regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben kann, sofern jene, die es auf eigene Faust versuchen und die hier kein Asylrecht haben, von ihren Herkunftsländern umstandslos wieder aufgenommen werden», sagte der FDP-Politiker der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».

Zudem kündigte er an, eine Verlagerung von Asylverfahren ins Ausland prüfen zu wollen. Das solle unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschehen. «Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden», sagte Stamp. Das erfordere aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf. Es sei klar, dass etwa ein Land wie Libyen in seinem derzeitigen Zustand dafür kein Partner sein könne, betonte er.

Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich «für rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten im Rahmen des Europa- und Völkerrechts» einzusetzen. Hierfür werde man prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus «in Ausnahmefällen» unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist, heißt es dort.

© dpa-infocom, dpa:230205-99-479502/5