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BGH sucht Lösung für klagende Wohnungseigentümer

Bundesgerichtshof
Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler und dem Schriftzug "Bundesgerichtshof". Foto: Uli Deck/dpa
Seit 1. Dezember gilt das neue Wohnungseigentumsgesetz. Für Eigentümer, die noch Klagen laufen haben, hat das Konsequenzen: Ihre Prozesse könnten platzen - obwohl sie vielleicht sogar im Recht sind.
Karlsruhe.

Karlsruhe (dpa) - Etliche laufende Gerichtsprozesse von Wohnungseigentümern drohen wegen einer neuen Rechtslage zu scheitern - aber der Bundesgerichtshof (BGH) arbeitet an einer Lösung. Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe verhandelten am Freitag einen Musterfall aus Baden-Württemberg und deuteten einen möglichen Ausweg an. Das Urteil soll am 7. Mai verkündet werden. (Az. V ZR 299/19)

Hintergrund ist eine umfassende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes aus dem Jahr 1951, die zum 1. Dezember 2020 in Kraft getreten war. Neben vielem anderen wurde geändert, dass nur noch die Eigentümergemeinschaft als ganze gemeinsame Rechte einklagen kann. Einzelne Eigentümer dürfen solche Ansprüche nicht mehr durchsetzen.

Für den Übergang gibt es keine Regelungen. Streng genommen gilt das neue Recht also ab sofort - und damit auch für bereits eingereichte Klagen. Die Frage ist, ob der Gesetzgeber wollte, dass damit viele Prozesse schlagartig enden, oder ob das ein Versehen war.

Die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann sagte, man denke zunächst, das könne doch nicht sein. «Dieses Gefühl ist absolut nachvollziehbar.» Der Kläger in dem Musterfall habe vier Jahre lang prozessiert. Und das soll nun alles umsonst gewesen sein?

Der Mann aus Mannheim streitet mit seinen Nachbarn wegen vier Zypressen, die dicht an der Grundstücksgrenze stehen und immer größer werden. Er will, dass sie gefällt werden. In den Vorinstanzen war seine Klage erfolgreich, und auch die BGH-Richter scheinen ihn prinzipiell im Recht zu sehen. Das Problem ist allein das reformierte Gesetz - denn der Mann bildet mit einer weiteren Person eine Eigentümergemeinschaft, hat aber allein geklagt.

Stresemann sagte, der Gesetzgeber habe kein langes Nebeneinander von altem und neuem Recht haben wollen. Ihr Senat scheint aber zu bezweifeln, ob er wirklich so radikal vorgehen wollte. Den Richterinnen und Richtern schwebt auch schon eine Lösung vor: Denkbar wäre, dass sie den Klägern erlauben, ihre Prozesse weiterzuführen - solange die Eigentümergemeinschaft nicht aktiv einschreitet. Das wäre für die Betroffenen deutlich einfacher, als wenn sie sich nachträglich um einen Beschluss der Gemeinschaft bemühen müssten.

Weder bei Haus & Grund Deutschland noch beim Verein Wohnen im Eigentum (WiE) weiß man genau, wie viele solcher Klagen im Moment auf der Kippe stehen. Das Problem beschäftigt aber beide Verbände.

Der WiE sieht die Änderung bei der Klagebefugnis generell kritisch. Für den einzelnen Eigentümer seien die Hürden jetzt deutlich höher als früher. WiE-Rechtsreferent Michael Nack würde es begrüßen, wenn zumindest die Prozesse zu Ende geführt werden könnten. «Sonst wären die Rechtsschutzmöglichkeiten mitten im Verfahren abgeschnitten.»

In dem Fall aus Mannheim gibt es noch eine neue Entwicklung. Der Miteigentümer des Klägers sei vor wenigen Tagen gestorben, sagte dessen BGH-Anwalt Matthias Koch. Diesen Mann hatten die Zypressen nicht gestört. Der Sohn als Erbe habe den Kläger nun bevollmächtigt, das Verfahren fortzusetzen. Wie die Richter damit umgehen, blieb offen. Sie wollen den Fall noch einmal gründlich beraten.

© dpa-infocom, dpa:210325-99-972406/3

Ankündigung des BGH

Regelung im reformierten Gesetz, § 9a Abs. 2 WEG

Ministeriums-Infos zur WEG-Reform

Verein Wohnen im Eigentum über die WEG-Reform

Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg