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Corona-Booster: Politik und Ärzte ziehen nicht selben Strang

Steffen Jäger
Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. Foto: Gemeindetag/dpa/Archiv
Wer soll das bezahlen? Diese Frage überschattet die Kampagne für die Corona-Auffrischungsimpfung: Ärztevertreter dringen auf bessere Bezahlung für ihre Leistung. Die Politik hat angesichts der steigenden Zahl der Corona-Fälle andere Prioritäten.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Finanzfragen drohen die Kampagne für Corona-Auffrischungsimpfungen auszubremsen. Zankapfel ist die Vergütung der Impfung. Während das Gesundheitsministerium an das Verantwortungsbewusstsein der Ärzte appelliert, fordern diese mehr Geld. «Die niedergelassenen Ärzte haben auch bei der Booster-Impfung eine Schlüsselstellung», sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. «Es ist deshalb schwierig, dass manche Ärzte jetzt einfach sagen, dass sie ihre Patienten nicht impfen.» Laut Medi-Verbund, der rund 5000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten im Südwesten vertritt, bieten viele kleine Praxen aus wirtschaftlichen Gründen keine Corona-Impfungen mehr an.

Nach der Schließung der Impfzentren hatte das Ministerium untersucht, ob Praxis- und Betriebsärzte die Impfungen flächendeckend übernehmen können. Das sei noch nicht der Fall, teilte das Ministerium mit, das zunächst aber von einer Reaktivierung der Impfzentren absieht.

Medi-Chef Werner Baumgärtner betonte: «Das Honorar deckt in keiner Weise unseren Aufwand - insbesondere kleine Praxen legen bei diesen Preisen noch drauf.» Die Impfung für die niedergelassenen Ärzte würde mit 20 Euro vergütet, während die Impfzentren pro Piks rund 200 Euro erhielten. Baumgärtner hält mindestens 40 Euro für erforderlich, um die Impfkampagne sicherzustellen.

Lucha will sich dafür einsetzen, dass der Bund und der Spitzenverband der Krankenkassen sich in der Honorierungsfrage schnell einigen. «Es kann jedenfalls nicht sein, dass eine flächendeckende Impfung in diesem Stadium der Pandemie daran scheitert, dass manche Ärzten das Honorar als zu gering empfinden und deshalb aussteigen.» Laut Lucha erhalten Menschen in einigen Regionen nur schwer einen Impftermin oder es gibt Wartelisten, während die Krankenhäuser schon wieder an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Drohenden Engpässen will das Ministerium mit weiteren 50 mobilen Impfteams begegnen. Für die Wiederöffnung von Impfzentren wäre ein wesentlich längerer Vorlauf nötig. Gefragt seien schnelle Lösungen.

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den Ländern hingegen vorgeschlagen, die Impfzentren für die Booster-Impfungen wieder startbereit zu machen.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) betonte in der Diskussion um die Impfzentren die Rolle der niedergelassenen Ärzte. «Die können das wuppen», sagte eine KVBW-Sprecherin. Sie forderte aber ähnlich wie der Medi-Verband den Abbau bürokratischer Hürden, etwa einen Verzicht auf ein erneutes Aufklärungsgespräch bei der Auffrischung, Verfügbarkeit von Einzelimpfdosen und kürzere Lieferintervalle für den Impfstoff.

Der Medizinische Leiter des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, sieht ebenfalls keinen Bedarf für Impfzentren. Er nennt ein anderes Erschwernis: «Wir haben kein Problem des Angebots, wir haben ein Problem der Nachfrage». Booster-Impfungen sollten alle Menschen ab zwölf Jahren freigegeben werden. «Wenn das käme, hätten wir wieder eine höhere Impfbereitschaft. Aber selbst dann bräuchten wir keine Impfzentren.»

Auch der Gemeindetag hält wenig von einer kurzfristigen Öffnung der Zentren. Besser wäre es, die Zahl der mobilen Impfteams zu erhöhen. «Wir müssen die Impfungen zu den Menschen bringen und nicht die Menschen zu den Impfungen», sagte Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger.

Da Ministerium appellierte an die Ärzte, direkt auf ihre Patienten zuzugehen. Während aus Sicht der KVBW die von der Ständigen Impf-Kommission (Stiko) genannten Risikogruppen Vorrang haben, hat das Ministerium den Personenkreis erweitert. Laut Stiko sollten Menschen über 70, Bewohner von Senioreneinrichtungen sowie das dort arbeitende Pflegepersonal sowie Personal in medizinischen Einrichtungen mit direktem Patientenkontakt eine Auffrischung erhalten. Auch mit der Vakzine Johnson & Johnson geimpfte Menschen sollten mit einer weiteren Dosis ihren Schutz verbessern können. Das Ministerium hingegen betonte: «Derzeit empfehlen wir allen Menschen, deren Zweitimpfung länger als sechs Monate zurück liegt, eine Booster-Impfung.» Genannt werden dabei auch jene Berufsgruppen mit vielen Kontakten wie Lehrkräfte, Polizisten und Erzieherinnen.

© dpa-infocom, dpa:211102-99-831732/5

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