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Verkehr
Kein Geld für Hermann - Kretschmann zweifelt an Klimazielen

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nimmt an einer Landespressekonferenz teil. Foto: Marijan Murat
Die Verkehrswende weg vom Auto ist ein zentrales Projekt im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU. Doch das Vorhaben im Sinne des Klimaschutzes droht zu scheitern. Der grüne Regierungschef im Autoland nimmt das eher gelassen hin.

Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat erstmals offen infrage gestellt, ob das Land die selbstgesteckten Klimaziele im Bereich Verkehr bis 2030 erreichen kann. «Man kriegt eben nicht alles auf einmal hin», sagte der grüne Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. Da das Land das geplante 49-Euro-Ticket mitfinanzieren müsse, sei man gezwungen, woanders Abstriche zu machen. Im Etat für die Jahre 2023 und 2024 gibt es kein Geld für die von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ab 2026 geplante Mobilitätsgarantie. Hierfür sollten die öffentlichen Verkehrsmittel vor allem auf dem Land stark ausgebaut werden. «Letztlich begrenzen natürlich die Haushaltsmittel solche Vorhaben», sagte Kretschmann. Hermann hatte nach Angaben der CDU 120 Millionen Euro für das Jahr 2024 für die Mobilitätsgarantie beantragt, was Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) aber ablehnte.

Um seine Klimaziele zu erreichen, müsste das Land die Treibhausgase im Verkehr innerhalb von sieben Jahren um 55 Prozent verringern. Zuletzt sind die CO2-Emissionen im Verkehr aber sogar gestiegen. Auf Druck der CDU und der Kommunen musste Hermann seine ehrgeizigen Ziele in den Eckpunkten zum Landeskonzept Mobilität und Klima deutlich abschwächen. Kretschmann sagte nun, es werde problematisch, das Klimaziel zu erreichen. «Darum bin ich nicht am Wettlauf, immer schärfere Ziele zu formulieren, beteiligt.»

Der Grüne forderte die Kommunen auf, selbst Wege zu finden, den Ausbau der Bus- und Bahnlinien zu finanzieren. Städte-, Gemeinde- und Landkreistag beklagten dagegen, es gebe viel zu wenig Geld für echte Zukunftsausgaben. Das am Montag geschnürte Finanzpaket mit dem Land umfasse zwar weitere Mittel für Geflüchtete und Kinderbetreuung, doch bei Verkehr, Klimaschutz, Digitalisierung und Schulen gehe es nicht voran. Die Kommunalverbände forderten das Land erneut auf, endlich über den Abbau von staatlichen Standards und Aufgaben zu reden. Kretschmann reagierte genervt: Diese Forderung komme nun in einem «Staccato» und sei als Kampagne konzipiert. Man nehme sie zwar ernst, doch sei noch nicht klar, in welchem Format man darüber reden könne.

Die im Koalitionsvertrag geplante «Mobilitätsgarantie» sieht vor, dass alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem ÖPNV erreichbar sein sollen. Eigentlich will das Land es bis 2026 schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt. In der zweiten Stufe bis 2030 soll dann den ganzen Tag gelten, dass im Ballungsraum der Viertelstundentakt gefahren wird und im ländlichen Raum der Halbstundentakt. Um das Vorhaben zu finanzieren, will das Land unter anderem den Kommunen die Möglichkeit geben, eine Nahverkehrsabgabe einzuführen. Dann könnten die Kommunen entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten.

Der CDU-Verkehrsexperte Thomas Dörflinger erläuterte, das im Land geplante Jugendticket ab Herbst 2023 schlage mit 100 Millionen Euro zu Buche. Das neue 49-Euro-Ticket im Regionalverkehr koste das Land pro Jahr 180 Millionen Euro. «Es bindet eben viele Mittel, die dann nicht für Stärkung von Bussen und Bahnen verwendet werden können», sagte Dörflinger. Das Plus bei den sogenannten Regionalisierungsmitteln des Bundes betrage für das Land 117 Millionen Euro. Das reiche gerade, um das bestehende Angebot zu stabilisieren oder leicht auszubauen.

Dass es kein zusätzliches Geld für die geplante Mobilitätsgarantie gibt, habe nicht die CDU-Fraktion zu verantworten. «Der Haushaltsentwurf kommt aus der Regierung», sagte Dörflinger. Klar sei aber auch: «Das Auto wird der Hauptverkehrsträger in den ländlichen Gebieten bleiben.» Er plädierte dafür, sich nur realistische Ziele zu setzen, die mit der Lebenswirklichkeit der Menschen - vor allem auf dem Land - vereinbar seien. «Ich bin kein Freund davon, nur Ziele ins Schaufenster zu stellen.»

Hermann wollte die Ziele «jedes zweite Auto fährt klimaneutral» bis 2030 und «jede zweite Tonne fährt klimaneutral» im Güterverkehr im Konzept Mobilität und Klima unterbringen. Außerdem drang Hermann darauf, die Vorgabe «ein Fünftel weniger Kfz-Verkehr in Stadt und Land» in dem Papier zu verankern. Alle drei Ziele wurden deutlich abgeschwächt.

© dpa-infocom, dpa:221122-99-618859/3