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Energie
Kretschmann befürchtet bei Gasmangel-Lage mehr Arbeitslose

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann hält eine Rede. Foto: Christoph Schmidt
Lieber kalt duschen, empfiehlt der grüne Regierungschef. Doch das wird in Zeiten einer Gasmangel-Lage nicht reichen. Kretschmann fürchtet einschneidende Konsequenzen und drängelt den Bund zu raschen Vorkehrungen.

Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat vor dramatischen Folgen einer Gasmangel-Lage im Winter für Arbeitnehmer und Verbraucher gewarnt. Er gehe davon aus, dass zahlreiche Unternehmen, die Gas für ihre Produktion brauchen, dann ihren Betrieb einstellen müssten. «Da geht es im Ernstfall um Tausende von Arbeitsplätzen», sagte der Grünen-Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. «Da geht es darum, ob den Winter durchgeheizt werden kann.» Kretschmann forderte eine gemeinsame Kampagne von Bund, Ländern und Kommunen, bei der schnell konkrete Vorschläge gemacht werden müssten, wo Industrie und Haushalte Energie einsparen können.

Der Regierungschef appellierte auch an die Tarifpartner, sich in der Krise anzunähern. «Es droht einfach die Gefahr einer Rezession.» Die Arbeitnehmer hätten verständliche Forderungen, aber die Frage sei nun, wie man eine «Preis-Lohn-Spirale» in Deutschland verhindern könne. Er appelliere daher an Arbeitnehmer und Arbeitgeber Maß zu halten. Kretschmann schloss nicht aus, dass man im Laufe des Jahres in eine Situation kommen könne, in denen auch neue Schulden notwendig seien. «Wenn eine echte Notlage entsteht, sieht die Schuldenbremse Ausnahmen vor.» Aber: «In der Situation sind wir noch nicht.» Über solche Maßnahmen könne man erst reden, wenn eine solche Situation einträte.

Der Ministerpräsident kündigte eine Regierungserklärung zu einer zugespitzten Gasmangel-Lage noch vor der Sommerpause im Landtag an. Da würden alle möglichen Maßnahmen präsentiert. Allerdings ergebe es keinen Sinn, wenn Baden-Württemberg einen eigenen «Masterplan» erarbeite, das gehe nur in Zusammenarbeit mit Bund, Kommunen und anderen Ländern. Kretschmann betonte, jede und jeder könne beim Energiesparen helfen. «Jeder kann beim Duschen darauf achten, dass er wenig warmes Wasser verbraucht.» Außerdem gebe es auch moderne Duschköpfe, die sparsam seien und bei denen man trotzdem ein angenehmes Duschgefühl habe. Grundsätzlich gelte es, sich beim Energieverbrauch «auf das Nötigste zu beschränken».

Angesichts der deutlich verringerten Gaslieferungen aus Russland hat die Bundesregierung vor knapp zwei Wochen die Alarmstufe ausgerufen. Der Notfallplan hat drei Stufen: Die jetzt ausgerufene Alarmstufe ist die zweite. Die dritte wäre die Notfallstufe. Es wird befürchtet, dass nach der Wartung der Pipeline Nord Stream 1 Mitte Juli kein russisches Gas mehr durch diese Leitung fließt und die Lage sich in Deutschland weiter zuspitzt.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke spottete über die praktischen Vorschläge des Regierungschefs: «Statt die Bürgerinnen und Bürger zum Kauf neuer Duschköpfe zu drängen und mit dem Verweis auf den Bund die eigene Untätigkeit zu kaschieren, muss Grün-Schwarz endlich den Weg für einen befristeten Weiterbetrieb von Neckarwestheim 2 freimachen.» Damit hätte Baden-Württemberg die Möglichkeit, «krisensicher Strom zu erzeugen und so Teile der Gasverstromung zu ersetzen».

Kretschmann argumentiert dagegen, im Winter drohe eine Gasmangellage und keine Strommangellage. Zudem wolle man bei der Sicherheit keine Abstriche machen, denn die letzte Überprüfung des Meilers sei 2009 durchgeführt worden - im Wissen, dass er Ende 2022 sowieso vom Netz gehe.

© dpa-infocom, dpa:220705-99-915157/4