1. Startseite
  2. Überregionales
  3. Stuttgart & Südwest
Logo

Kritik der Opposition: Untersteller berät Energieversorger

Umweltminister Franz Untersteller
Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Patrick Seeger/dpa
Darf ein Ex-Umweltminister bald nach seinem Ausstieg aus der Politik einen Energieversorger beraten? An der Frage scheiden sich die Geister. Weil Untersteller ein Grüner ist, werden besonders hohe Maßstäbe angelegt.
Mannheim.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Opposition sieht den neuen Beraterjob des früheren Umweltministers Franz Untersteller (64) beim Mannheimer Versorger MVV kritisch. Die SPD monierte, das Engagement des Grünen habe «definitiv ein Geschmäckle», weil er zuvor zehn Jahre als Minister für die Rahmenbedigungen der Energiewirtschaft zuständig war. Sie mahnt eine baldige Regelung für eine «Abkühlphase» für ausscheidende Politiker an.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hält die Tätigkeit knapp neun Monate nach Unterstellers Ausscheiden aus dem Amt für zu früh. «Herr Untersteller hätte besser daran getan, etwas mehr zeitlichen Abstand zu wahren.» Auch Transparency hält das Engagement für problematisch. Das Haus von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) beurteilt den Beraterjob dagegen positiv.

Im Südwesten gibt es bisher anders als im Bund keine Regeln für eine Karenzzeit für frühere Regierungsmitglieder. Grüne und CDU haben sich aber in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, in bestimmten Fälle eine Beschäftigung in einem Zeitraum von 18 Monaten nach Ausscheiden aus dem Amt zu untersagen.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz will das nun angehen. «Wir haben immer betont: Politische Entscheidungen müssen in einem Regierungsamt unabhängig getroffen werden, nicht in Gedanken an den nächsten Arbeitsvertrag», sagte er der dpa. «Hier halten wir Wort und werden eine zeitgemäße Regelung zeitnah auf den Weg bringen.»

Für die SPD sagte Boris Weirauch: «Der Fall Untersteller macht einmal mehr deutlich, dass die Grünen ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden.» Die SPD habe schon Mitte 2020 - als der Bundesbeauftragte Volker Ratzmann (Grüne) als Lobbyist zur Post gewechselt war - einen Gesetzentwurf für eine Karenzzeit von 18 Monaten vorgelegt.

Untersteller war als Minister von 2011 bis 2021 für die Energiewirtschaft und die Atomaufsicht im Südwesten zuständig und gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ein Sprecher des Ministeriums sagte: «Franz Untersteller hat schon vor seinem Ausscheiden als Minister und Landtagsabgeordneter angekündigt, beruflich noch mal etwas Neues machen zu wollen. Dass er jetzt ein Unternehmen bei der Energiewende berät, ist ein logischer Schritt.»

Der Ex-Minister sei ein ausgewiesener Fachmann in Energiefragen, betonte der Sprecher. «Und jeder Experte oder jede Expertin, die beim dringend benötigten Ausbau der erneuerbaren Energien mitwirkt, hilft dem Land bei der wichtigen Energie- und Wärmewende.» Untersteller selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Am Dienstag hatte MVV mitgeteilt, dass der 64-Jährige künftig als Berater beim fünftgrößten Versorger in Deutschland tätig sein wird. Er werde den Austausch zwischen dem Unternehmen und Kommunen bei der Senkung der CO2-Emissionen und Lösungen für umweltfreundliche Citys fördern. Die Zusammenarbeit sei Anfang dieses Jahres vereinbart worden und beginne sofort. Es gebe eine Aufwandsentschädigung und keine Anstellung. Die MVV hat rund 6200 Mitarbeitern und ist teilweise auch im Besitz der Stadt Mannheim. Die MVV RWE GmbH gehört zu den Eignern der Grosskraftwerk Mannheim AG, die Strom aus Steinkohle gewinnt.

Für Transparency hatte Norman Loeckel gesagt, rechtlich sei nichts an dem Übergang zu beanstanden. Es stelle sich trotzdem die Frage, ob diese Tätigkeit legitim sei. Karenzzeiten sollten verhindern, dass ehemalige Regierungsmitglieder entweder vorher im Amt oder danach Beschlüsse treffen, welche dem Unternehmen Vorteile bringen oder ihm nach dem Ausscheiden des Politikers aus dem Amt einen wichtigen Zugang zu Entscheidungsträgern öffnen.

«Sollte Untersteller bezahlt werden, wäre das sicherlich ein Interessenskonflikt», sagte Loeckel. In anderen Bundesländern wie etwa NRW beträgt die Karenzzeit zwölf Monate. Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency plädiert für drei Jahre, um einen «echten Abstand» zur vorherigen Tätigkeit herzustellen.

© dpa-infocom, dpa:220112-99-678942/4

PM MVV von Dienstagabend