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Rund 170 Heimkinder nach Baden-Württemberg evakuiert

Pressekonferenz nach Ankunft ukrainischer Heimkinder
Eine ukrainische Flagge hängt vor dem Eingang zur Wentzingerhalle. Foto: Philipp von Ditfurth
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben nach Angaben der Vereinten Nationen Hunderttausende ihr Zuhause verlassen. Unter Strapazen erreichten Dutzende Heimkinder aus der Nähe von Kiew ihre vorerst neue Heimat Freiburg.

Freiburg/Stuttgart. Sie waren tagelang in mehreren Bussen unterwegs und sind nun in Sicherheit in Freiburg: 167 Heimkinder aus der Nähe von Kiew und 30 Betreuer sind auf Initiative der evangelischen Stadtmission aus einem Kinderheim in der Nähe von Kiew evakuiert worden. Das jüngste Kind ist wenige Monate alt.

Oberbürgermeister Martin Horn beschreibt mit emotionalen Worten am Sonntag ihre dramatische Flucht: «Das war ein Auf und Ab, ein Festsitzen in der Ukraine. Es gab zwei Mal einen Buskomplettausfall. Letztlich haben wir sie dann durch Polen hindurch bis nach Dresden geschafft, wo sie gegen Mitternacht angekommen sind.» In Dresden gab es eine kleine Pause, die Kinder, Jugendlichen und ihre Betreuer wechselten die Busse und setzten ihre Reise nach Südbaden fort. Sie werden in Freiburg in verschiedenen Einrichtungen untergebracht, verpflegt und medizinisch versorgt. Alle wurden auf Corona getestet und können mit Hilfe von Dolmetschern kommunizieren.

Die Kinder kommen aus dem Heim «Vaterhaus» bei Kiew. Die evangelische Stadtmission engagiert sich seit Jahren für dieses Kinderheim und hatte die Stadt gebeten, eine Aufnahme der jungen Menschen in der Stadt zu ermöglichen. «Wir tun unser Möglichstes und sind total froh, dass jetzt vier Busse angekommen sind mit fast 200 Personen», sagte Horn.

Wegen der dramatischen Lage in der Ukraine bereitete sich Baden-Württemberg am Wochenende auf weitere Flüchtlinge vor. Das Migrationsministerium, der Landkreistag, Städtetag und Gemeindetag sowie die vier Regierungspräsidien verständigten sich darauf, ukrainische Flüchtlinge zunächst in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes unterzubringen. Eine Alternative wäre gewesen, diese sofort auf die Landkreise zu verteilen. «Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen werden die Funktion einer Erstanlaufstelle für alle Ankommenden, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen, übernehmen», lautet die Übereinkunft.

Zudem wurde vereinbart, dass allen Ankommenden schnell eine Covid-19-Schutzimpfung angeboten werden soll. Unter Leitung von Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) soll außerdem der neu gegründete Stab «Flüchtende aus der Ukraine» von Montag an täglich tagen. Ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits visafrei in Baden-Württemberg aufhielten, könnten sich bei den Ausländerbehörden eine Erlaubnis für einen weiteren Aufenthalt einholen, sagte ein Sprecher des Migrationsministeriums am Sonntag. Ukrainische Staatsbürger könnten für 90 Tage visumfrei nach Deutschland einreisen.

Die Beteiligten seien sich einig, alles zu unternehmen, um für eine geordnete und koordinierte Aufnahme der Flüchtenden zu sorgen - auch für Menschen, die bei Verwandten oder Freunden unterkommen, hieß es in der Mitteilung. «Derzeit ist noch nicht absehbar, wie viele Menschen, wann und in welchem Umfang vor Putins Krieg nach Baden-Württemberg flüchten.» Die Vereinten Nationen gehen von knapp 300 000 Flüchtenden aus. Zehntausende haben sich bereits in EU-Länder gerettet, einige auch nach Deutschland.

In mehreren Städten im Südwesten haben Menschen am Wochenende ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet und sich gegen Krieg ausgesprochen. In Freiburg versammelten sich nach Polizeiangaben rund 800 Menschen, in Stuttgart waren es nach Auskunft der Stadt rund 3000. Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper sagte: «Unsere Herzen sind in dieser schweren Zeit in den ukrainischen Nationalfarben Blau-Gelb gefärbt. Wir stehen ganz fest an der Seite der Ukraine, auch an der Seite derjenigen, die wegen des Kriegs aus der Ukraine flüchten müssen.»

Es sei wichtig, dass alle Akteure im Südwesten eng und pragmatisch zusammenarbeiteten, sagte SPD-Fraktions- und Landeschef Andreas Stoch. «Wir alle zählen darauf, dass Menschen, die vor diesem Krieg in unser Land fliehen, ohne Wenn und Aber aufgenommen werden.» Die Aufnahme von Geflüchteten sei die beste Hilfe, die Baden-Württemberg leisten könne. «Aus dieser politischen Katastrophe darf nicht auch noch eine humanitäre Katastrophe werden», sagte Stoch. In Baden-Württemberg gibt es vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen: in Ellwangen, Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen sowie das Ankunftszentrum in Heidelberg.

© dpa-infocom, dpa:220227-99-310251/4