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Menschenrechte
200 Naturschützer im Kampf für Umwelt und Klima getötet

Brasilien Indigener Protest
Im brasilianischen Sao Paulo protestiert die ethnische Gruppe der Guajajara für den Schutz ihrer Reservate. Foto: Andre Penner
Wer sich Energiekonzernen, Bergbauunternehmern und Co. in den Weg stellt, gerät ins Fadenkreuz. Die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen den Klimawandel: Indigene, Umweltschützer und Landaktivisten.

Mexiko-Stadt. Der Einsatz für Umwelt und Natur kann lebensgefährlich sein: Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Witness weltweit 200 Umweltschützer getötet. Das war ein leichter Rückgang gegenüber dem Jahr 2020, als 227 Aktivisten getötet wurden, wie die Gruppe bei der Vorstellung ihres Jahresberichts am Donnerstag mitteilte.

Über drei Viertel aller tödlicher Angriffe wurden in Lateinamerika registriert. Das gefährlichste Land für Naturschützer war mit 54 Tötungen Mexiko, gefolgt von Kolumbien (33) und Brasilien (26). Vor allem Aktivisten, die sich gegen Bergbau- und Energieprojekte, Landwirtschaft und Holzfäller einsetzen, leben gefährlich. Die meisten Tötungen würden nie aufgeklärt, berichtete die Organisation.

«Gewalt, Kriminalisierung und Schikanen»

«Überall auf der Welt riskieren Indigene, Umweltaktivisten und Naturschützer ihr Leben im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt», sagte eine Sprecherin von Global Witness, Shruti Suresh. «Sie spielen eine entscheidende Rolle als erste Verteidigungslinie gegen den ökologischen
Kollaps, werden aber selbst angegriffen und sind Gewalt, Kriminalisierung und Schikanen ausgesetzt von repressiven Regierungen und Unternehmen, denen Profit wichtiger als Menschen und Umwelt ist.»

Die Organisation dokumentiert seit zehn Jahren Gewalt gegen Umweltschützer. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 1733 Aktivisten getötet - das entspricht einem Mord alle zwei Tage. Die Länder mit den meisten tödlichen Angriffen auf Naturschützer waren Brasilien, Kolumbien und die Philippinen. Vor allem Indigene werden immer wieder zur Zielscheibe: Sie machen 40 Prozent der Opfer aus, obwohl sie nur 5 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren.

«Unternehmen direkt für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen»

«Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für die Lage von Umweltaktivisten», sagte der philippinische Umweltschützer Jon Bonafacio. «Die Unternehmen, aber auch die Banken, die die Projekte finanzieren, müssen direkt für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden», forderte er.

Rund um die Eisenerzmine Peña Colorada im Westen von Mexiko etwa kämpfen Anwohner seit Jahrzehnten gegen Vertreibung und Umweltzerstörung. «Die indigene Bevölkerung ist in die Planung nie eingezogen worden. Jetzt fehlt es an Wasser, weil das Bergwerk alles verbraucht», sagte ein Anwalt, der die indigenen Dorfgemeinschaften vertritt und aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden wollte. «Wer sich gegen die Mine einsetzt, wird entführt und ermordet.»

Im April 2021 wurde demnach beispielsweise José Santos Isaac Chávez getötet. Der Indigene war der einzige Kandidat für den Gemeinderat, der sich offen gegen das Bergwerk der multinationalen Konzerne Arcelor Mittal und Ternium aussprach. Er wurde mit Folterspuren tot in seinem Auto gefunden.

«Polizei keine große Hilfe»

Hinter der Gewalt steckt nach Einschätzung des Juristen das Drogenkartell Jalisco Nueva Generación. Die Gruppe gilt derzeit als das mächtigste Verbrechersyndikat in dem lateinamerikanischen Land und ist neben dem Drogenhandel auch in den illegalen Bergbau verwickelt.

«Die örtlichen Behörden und die städtische Polizei sind keine große Hilfe, weil sie mit dem Kartell teilweise unter einer Decke stecken», sagte der Anwalt. Er forderte eine größere Präsenz der Nationalgarde und konsequente Ermittlungen zu den verübten Gewalttaten: «Die Straflosigkeit muss aufhören.»

© dpa-infocom, dpa:220928-99-936483/3