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Militärische Eskalation
Angriff auf Tripolis: Regierungschef kündigt Widerstand an

General Chalifa Haftar
Der mächtige libysche General Chalifa Haftar hatte seinen Truppen am Donnerstag den Befehl zum Vormarsch auf Tripolis gegeben. Foto: Mohammed Elshaiky/EPA
Die politische Lage im Ölstaat Libyen ist schon seit langem alles andere als stabil. Nun eskaliert sie militärisch. Vereinte Nationen und G7 formulieren wortgewaltige Appelle zur Mäßigung, doch aus dem Umfeld der Hauptstadt werden schon schwere Gefechte gemeldet.

Tripolis (dpa) - Nach dem Angriff des libyschen Generals Chalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis hat der Chef der international anerkannten Regierung, Fajis al-Sarradsch, Widerstand angekündigt.

Haftars Kriegserklärung werde auf Entschlossenheit und Stärke treffen, sagte Al-Sarradsch am Samstagabend in einer TV-Ansprache. 

Er warf seinem Kontrahenten vor, den politischen Prozess untergraben und das Land in einen «neuen Kreislauf der Gewalt» stoßen zu wollen. Haftar werde allein durch persönliche Motive angetrieben. 

Der General hatte seinen Truppen am Donnerstag den Befehl zum Marsch auf Tripolis gegeben. Der General ist mit einer Regierung im Osten des Landes verbündet, die mit der Sarradsch-Regierung in Tripolis um die Macht konkurriert. Beobachter befürchten einen neuen Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land.

Die internationale Gemeinschaft erhöhte ihren Druck auf den libyschen General Chalifa Haftar und forderte einen Stopp seines Vormarsches auf die Hauptstadt Tripolis. Die G7-Staaten zeigten sich bei einem Außenministertreffen sehr besorgt über die Lage. Es sei gut, dass der UN-Sicherheitsrat ein klares Signal gegeben habe, «dass Schluss sein muss mit der militärischen Eskalation», sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Rande des Treffens im bretonischen Küstenort Dinard.

Der UN-Sicherheitsrat hatte Haftar und seine selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) am Freitag aufgerufen, alle militärischen Bewegungen zu stoppen. «Es kann für den Konflikt keine militärische Lösung geben», sagte der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen in einer Erklärung, die er im Namen des Sicherheitsrates verlas.

Die Appelle blieben zunächst ungehört. Augenzeugen meldeten am Samstag Gefechte südlich von Tripolis. Haftars Gegner versuchten offenbar, dessen Nachschubwege abzuschneiden. Unklar war zunächst, ob die Anhänger des Generals den seit 2014 stillliegenden internationalen Flughafen im Süden von Tripolis einnehmen konnten.

Haftar hatte seinen Truppen am Donnerstag den Befehl zum Vormarsch auf Tripolis gegeben, wo die international anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch sitzt. Der 75 Jahre alte General will die Hauptstadt einnehmen und das ölreiche Land unter seiner Führung vereinen. Allerdings muss er in Tripolis mit starkem Widerstand rechnen, weshalb Beobachter einen neuen Bürgerkrieg fürchten.

Die UN wollen trotz der Eskalation an der für Mitte April geplanten Versöhnungskonferenz in der Stadt Ghadames festhalten. «Wir arbeiten weiter an einer politischen Lösung für Libyen», sagte der UN-Vermittler für das Krisenland, Ghassan Salame, in Tripolis.

Die Operation des Generals bedeutet eine neue Eskalation in einem Land, das seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 von Krisen erschüttert wird. Seit Jahren konkurrieren etliche Milizen um Macht und Pfründe, auch zwei Regierungen rivalisieren miteinander: eine in Tripolis, eine mit Haftar verbündete im Osten. Mehrere UN-Vermittler scheiterten daran, eine Lösung zu finden.

Haftar hat sich in den vergangenen Jahren zur einflussreichsten Figur Libyens entwickelt. Er genießt den Ruf eines Militärs, für den die Politik erst an zweiter Stelle kommt. Einst unterstützte er Gaddafi und gehörte zu dessen Kräften, als dieser 1969 an die Macht kam. Später aber kam es zum Bruch. Als Haftar 1987 im benachbarten Tschad in Gefangenschaft geriet, ließ Gaddafi ihn dort sitzen. Frei kam er mit Hilfe der USA, wo er anschließend über zwei Jahrzehnte im Exil lebte. Aus der Zeit stammt auch der Vorwurf, ein CIA-Agent zu sein.

Nach seiner Rückkehr nach Libyen 2011 versuchte er schon einmal, sich an die Macht zu putschen, scheiterte aber kläglich. Zuletzt konnte er aber seinen Einfluss mit einigem Geschick vom Osten des Landes bis weit in den Westen ausdehnen, häufig ohne großen Widerstand. Dafür setzte er auf ein Bündnis mit lokalen Milizen in einem Land, das in viele Ethnien und Stämme aufgeteilt ist. Sympathien findet Haftar bei Libyern, die dem jahrelangen Chaos überdrüssig sind und auf einen starken Mann hoffen, der das Land regiert und stabilisiert.

Haftar inszeniert sich dabei als Vorkämpfer gegen vermeintlich radial-islamische Kräfte und kann nicht zuletzt deswegen auf Unterstützung aus dem Ausland zählen, vorneweg aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Sie sehen den General als ihren Mann, um die islamistischen Muslimbrüder zu bekämpfen, die sie zur Terrororganisation erklärt haben. Gute Kontakte pflegt Haftar zudem zu Saudi-Arabien und Russland, auch Frankreich unterstützt ihn. Zu seinen Truppen gehören Söldner aus dem Tschad und dem Sudan.

Doch Kritiker warnen, weil sie in dem 75-Jährigen einen wendigen Militär sehen, der das Land einer autoritären Herrschaft unterwerfen will. Zwar bekannte sich Haftar mit Worten zu Wahlen, unternahm aber nichts, um sie umzusetzen. Stattdessen sagte er dem Magazin «Jeune Afrique» im vergangenen Jahr, Libyen sei noch nicht reif für die Demokratie: «Vielleicht können sie spätere Generationen erreichen.»

Haftar scheint sich seiner Sache sicher zu sein und brüskierte sogar die UN. Den Beginn der Offensive verkündete er, während UN-Chef Antonio Guterres in Tripolis weilte. Dieser wollte in Libyen die Versöhnungskonferenz vorbereiten, die die UN organisieren.

Libyen-Beobachter halten Haftar jedoch längst nicht für so stark, wie er sich gibt, weil er seine Kräfte überdehnt habe. Sein Bündnis mit lokalen Milizen ist lose und könnte wieder auseinanderfallen. «Haftar hat sein Blatt überreizt», twitterte der Libyen-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Wolfram Lacher.

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Bericht RFI, Frz.