1. Startseite
  2. Überregionales
Logo

Gegen «Nationalitätsgesetz»
«Bürger zweiter Klasse»: Zehntausende protestieren in Israel

Demonstration gegen «Nationalitätsgesetz»
Anhänger der Religionsgemeinschaft der Drusen nehmen an der Demonstration gegen das «Nationalitätsgesetz» teil. Foto: Sebastian Scheiner/AP
Das «Nationalitätsgesetz» bekräftigt Israels Status als jüdischen Nationalstaat. Doch was ist mit Bürgern anderer Glaubensrichtungen? Die Drusen rufen zum Protest - und Zehntausende kommen.

Tel Aviv (dpa) - Zehntausende Israelis haben gegen das «Nationalitätsgesetz» in Tel Aviv protestiert. Das im Juli verabschiedete Gesetz verankert Israels Status als jüdischen Nationalstaat - und wird von Minderheiten, aber auch vielen jüdischen Israelis, als diskriminierend kritisiert.

Das Forum der drusischen Armeeoffiziere hatte zu dem Protest aufgerufen. Tamir Pardo, früherer Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, bezeichnete die Verabschiedung des Gesetzes als «Ungerechtigkeit gegenüber 20 Prozent der israelischen Bevölkerung. (...) Es geht nicht darum, welche Partei man wählt. Das ist eine Frage der Werte», zitierte ihn die «Times of Israel».

Das Gesetz legt unter anderem fest, dass der Bau jüdischer Gemeinden in Israel besonders gefördert werden soll. Hebräisch wird zur offiziellen Landessprache erklärt, während Arabisch - bisher zweite Amtssprache - nur noch einen «Sonderstatus» erhält. Tausende Israelis protestierten in Tel Aviv bereits bei der «größten Arabischstunde der Welt» gegen die Herabstufung des Status' der arabischen Sprache.

Teilnehmer schwenkten am Samstag auf dem zentralen Rabinplatz israelische Fahnen und die fünffarbige Flagge der Drusen. Sie hielten Schilder hoch, auf denen in Hebräisch, Englisch und Arabisch Sprüche standen wie «Wir alle sind Brüder. Wir alle sind gleich» oder «Gerechtigkeit für alle».

Chalifa Chalifa, ein 32-jähriger Druse, sagte: «Wir protestieren dafür, dass wir die gleichen Rechte haben. Das Problem ist die Intention des Gesetzes, die Gesellschaft nach Gruppen aufzuspalten.» Die Drusen hätten kein Problem mit dem jüdischen Staat. «Wir dienen dem Land», sagte Chalifa, der auch in der israelischen Armee war.

Die Kritik der Drusen an dem Gesetz trifft die Regierung, weil die arabische Minderheit als loyal zum Staat Israel gilt und - anders als muslimische und christliche Araber - in der israelischen Armee dient. Frauen müssen in Israel rund zwei Jahre zum Militär, Männer fast drei Jahre.

Mehr als 80 Prozent der drusischen Männer werden zur Armee eingezogen, ein höherer Anteil als bei den jüdischen Israelis. Rund 130.000 der etwa neun Millionen Israelis sind Drusen, deren Religion aus dem Islam hervorgegangen ist.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzte wegen der Kritik der Drusen ein besonderes Gremium ein. Doch ein gemeinsames Treffen beendete der Regierungschef nach massiver Kritik an der Regierungsarbeit frühzeitig, wie israelische Medien berichteten. Aus Protest gegen das Gesetz kündigten in den vergangenen Tagen drei drusische Offiziere ihr Ausscheiden aus der Armee an.

Im Juli feierten Netanjahu und seine rechts-religiöse Regierung die Verabschiedung des Gesetzes noch ausgelassen. «Dies ist ein Schlüsselmoment in der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel», sagte Netanjahu damals vor Abgeordneten.

Die Drusen stehen mit ihrer Kritik allerdings nicht alleine da. Arabische Abgeordnete und der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah hatten das Gesetz als «rassistisch» bezeichnet. Aber auch Präsident Reuven Rivlin kritisierte es. Hunderte Künstler und Schriftsteller forderten Netanjahu in einem Brief dazu auf, das Gesetz zu widerrufen.

Rachel Galili ist für den Protest in Tel Aviv extra aus der Nähe von Haifa gekommen. Auch die gebürtige Wienerin bezeichnet das Gesetz als diskriminierend. «Dieses Gesetz bekräftigt das Gefühl vieler Drusen und Araber, Bürger zweiter Klasse zu sein», sagte die 63-jährige Jüdin auf Deutsch.

Das Israelische Demokratie-Institut (IDI) hat kritisiert, das Gesetz enthalte anders als die israelische Unabhängigkeitserklärung keine Verpflichtung zur Gleichberechtigung aller Bürger. Deshalb störe es das Gleichgewicht zwischen den Werten jüdisch und demokratisch.

Nach einer Umfrage des IDI sind 60 Prozent der Israelis der Ansicht, das Gesetz hätte das Prinzip der Gleichberechtigung enthalten sollen.