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Kalkulierte Eskalation?
Die innenpolitische Seite von Trumps Iran-Politik

Proteste in New York
Auf dem Times Square in New York demonstrieren Menschen vor einem Rekrutierungs-Büro des Militärs gegen einen Krieg der USA mit dem Iran. Foto: Frank Franklin Ii/AP/dpa
Donald Trump hat den Konflikt mit Teheran zwischenzeitlich auf eine neue Eskalationsstufe gehoben. Stecken dahinter auch innenpolitische Gründe? Und nützt ihm die Iran-Krise im Wahljahr - oder gerade nicht?

Washington (dpa) - Ein paar Tage lang ging akute Angst um: Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und dem Iran schien größer denn je. Nun sieht es so aus, als sei das Schlimmste vorerst abgewendet - aber eben nur vorerst. Der Konflikt zwischen Washington und Teheran ist alles andere als gelöst.

Was bedeutet die zwischenzeitliche Eskalation für Donald Trump? Hat der US-Präsident mit seinem Vorgehen in der Iran-Krise innenpolitisch gepunktet oder sich hier eher geschadet? Schließlich hat er in zehn Monaten eine Wahl vor sich.

Was steckt hinter Trumps Vorgehen?

Trump sah sich im Iran-Konflikt, der schon lange schwelt, von manchen Republikanern mit der Kritik konfrontiert, zu nachsichtig zu sein. Irans Provokationen in der Straße von Hormus im vergangenen Jahr blieben unbeantwortet, nach dem Abschuss einer US-Drohne sagte Trump im Juni einen Gegenschlag nach eigener Darstellung in letzter Minute ab. Selbst ein großangelegter Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien im September blieb militärisch ungesühnt. Trump dürfte mit Blick auf die nahende US-Präsidentenwahl im November wenig Interesse daran gehabt haben, als schwacher, gar handlungsunfähiger Staatschef wahrgenommen zu werden. Mit seiner Anordnung, Irans Top-General Ghassem Soleimani zu töten, übersprang er diverse Eskalationsstufen und sendete ein besonders hartes Zeichen an die Führung in Teheran.

Hatte diese Entscheidung auch etwas mit dem Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu tun?

Das zumindest werfen ihm seine Gegner vor. Sie mutmaßen, Trump habe von den Vorwürfen im Impeachment-Verfahren gegen ihn ablenken wollen. Der Präsident selbst beklagte sich öffentlich, dass die Demokraten das Verfahren angesichts der Lage überhaupt noch vorantreiben. «Zu diesem Zeitpunkt in unserer Geschichte, wo ich derart beschäftigt bin, Zeit mit diesem politischen Schwindel zu verschwenden, ist traurig», schrieb er auf Twitter. In Zeiten internationaler Krisen oder militärischer Konflikte hat sich das Land in der Vergangenheit oft um den Präsidenten als obersten Befehlshaber versammelt, ihm plötzlich besondere Unterstützung geschenkt - als Ausdruck nationaler Solidarität. Womöglich hat Trump auf einen solchen Effekt spekuliert. Immerhin hat sich die US-Regierung bemüht, den Angriff auf Soleimani als alternativlosen «Akt der Selbstverteidigung» darzustellen.

Ist ein solcher Effekt denn eingetreten?

Mehrere Umfragen nach der US-Attacke auf Soleimani zeichnen ein anderes Bild. 53 Prozent der Amerikaner äußerten da zwar die Einschätzung, die Tötung des Generals habe gezeigt, das sich die USA «nicht herumschubsen» ließen. Immerhin 42 Prozent unterstützten den Militärschlag. Es überwogen aber negative Haltungen zu der Operation: Eine Mehrheit der US-Bürger zeigte sich unzufrieden über Trumps Vorgehen gegenüber dem Iran und äußerte die Einschätzungen, die Aktion mache das Land unsicherer und erhöhe die Gefahr für Anschläge auf die USA sowie für einen Krieg mit dem Iran. Auch Trumps allgemeine Zustimmungsraten in der Bevölkerung haben sich durch die Tötung Soleimanis nicht verbessert, sondern verharren weiter klar unterhalb der 50-Prozent-Marke (bei etwa 42 Prozent). Trump verspricht seinen Anhängern seit jeher, die «endlosen Kriege» der USA zu beenden und amerikanische Truppen heimzuholen.

Und wie waren die Reaktionen bei Trumps Republikanern?

Auch hier gab es zum Teil Widerspruch. Nach der Attacke auf Soleimani drohte Trump, die USA hätten für den Fall eines Vergeltungsschlages Teherans diverse iranische Ziele im Visier und würden im Zweifel auch kulturelle Stätten dort angreifen. Das kam nicht gut an. Verteidigungsminister Mark Esper und Außenkollege Mike Pompeo sahen sich bemüßigt, öffentlich geradezurücken, dass die USA sich an internationales Recht halten. Auch der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, maßregelte, Attacken auf Kulturstätten seien «nicht angemessen». Trump lenkte am Ende ein.

Stehen die Republikaner denn hinter der Soleimani-Operation an sich?

Während viele Demokraten die Aktion als verantwortungslos und unabgestimmt kritisierten, verteidigten hochrangige Republikaner die Entscheidung des Präsidenten. Einige Kongressmitglieder, darunter auch Republikaner, zeigten sich dagegen nicht überzeugt, dass die Attacke gerechtfertigt war. Die Regierung habe in einer vertraulichen Sitzung im Kongress kaum Beweise für die Behauptung vorgelegt, dass mit der Operation ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf US-Ziele verhindert worden sei, schimpfte etwa der republikanische Senator Mike Lee. Die Unterrichtung sei «absolut verrückt» und «inakzeptabel» gewesen. Nach der unerwartet moderaten Racheaktion der Iraner - ihrem Angriff auf US-Truppen im Irak, bei dem es jedoch keinerlei Tote gab - ermahnten schließlich auch einflussreiche Republikaner wie Senator Lindsey Graham Trump zu Zurückhaltung. Der Präsident entschied sich für Deeskalation: Neue Wirtschaftssanktionen gegen Teheran als Reaktion auf die iranische Attacke, vorerst aber kein militärischer Gegenschlag. Ein neuer Krieg mitten im Wahljahr scheint damit vorerst abgewendet - zumindest für den Moment.