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«Momentan nichts zu holen»
Engpass bei Grippe-Impfstoffen in vielen Teilen Deutschlands

Wer wegen einer Grippe-Impfung zum Arzt geht, bekommt derzeit vielerorts keine: In einigen Regionen gibt es keinen Impfstoff mehr. Nun soll versucht werden, Nachschub aus dem Ausland zu holen.

Berlin (dpa) - Grippe-Impfstoffe werden in vielen Teilen Deutschlands knapp. «Alles, was jetzt kommt, wird nicht mehr geimpft», sagte etwa der Geschäftsführer der Apothekenkammer des Saarlandes, Carsten Wohlfeil.

«Bei allen Lieferanten ist momentan nichts zu holen», erklärte Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes. Auch in anderen Bundesländern wie Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gibt es in einigen Regionen Lieferverzögerungen oder Engpässe, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Über die Gründe wird heftig debattiert.

«Die Patienten haben in diesem Jahr möglicherweise viel früher angefangen, sich impfen zu lassen», sagte Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). «Ob sich auch insgesamt mehr Menschen impfen lassen oder die Impfungen nur früher stattfinden, können wir noch nicht wissen.» Sie hält die große vergangene Grippewelle für einen möglichen Grund für das Interesse.

Nach Auskunft Wohlfeils von der Apothekenkammer des Saarlandes könnte zu einer großen Nachfrage geführt haben, dass die gesetzlichen Kassen nun erstmals für den Vierfach-Impfstoff gegen Grippe bezahlen. Er gilt als wirksamer als der mit drei Komponenten.

Das Bundesgesundheitsministerium nennt als mögliche Ursachen für den Mangel neben einer höheren Nachfrage eine verspätete Bestellung von Grippe-Impfstoffen durch Ärzte und Apotheker, zu große Vorräte in manchen Arztpraxen und Apotheken sowie Direktverträge zwischen Krankenkassen und Apothekern.

Angesichts der regionalen Engpässe lockerte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Vorschriften für die Beschaffung. Demnach können die Bundesländer bei regionalem Bedarf erlauben, dass sich Apotheken und Arztpraxen untereinander mit Grippeimpfstoff versorgen und dass aus anderen Ländern der Europäischen Union bezogene Impfstoffe abgegeben werden. «Klar muss sein: Jeder, der will, muss sich gegen Grippe impfen lassen können», sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Genaue Informationen über die Impfstoffvorräte in EU-Ländern liegen dem Ministerium jedoch nicht vor. Insgesamt seien in Deutschland 15,7 Millionen Dosen verfügbar - rund eine Million mehr als im vergangenen Jahr genutzt wurden.

Die Pharmakonzerne können für diese Saison keinen Grippe-Impfstoff mehr herstellen. Es dauere etwa sechs Monate, um einen üblichen Impfstoff auf Hühnereibasis zu produzieren, sagte eine Sprecherin des Herstellers Sanofi. «Zur Zahl der Vorbestellungen packen wir eine gewisse Sicherheitsmarge drauf, aber wir können nicht für 80 Millionen Menschen produzieren.» Der Pharmaforscher Gerd Glaeske sieht die Schuld für den Mangel dagegen vor allem bei den Herstellern. Sie hätten die Nachfrage offenbar ziemlich falsch eingeschätzt, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Auch in Schleswig-Holstein und Hamburg wird der Impfstoff knapp. Die Durchimpfungsrate sei jedoch in beiden Ländern bereits gut, sagte der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein sowie des Hamburger Apothekervereins, Thomas Friedrich.

In Niedersachsen haben nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) einige Arztpraxen früh sehr viel Impfstoff bestellt. Bei anderen Ärzten, die später bestellt hätten, verzögerten sich jetzt Lieferungen. Im kommenden Jahr will die KVN die Bestellung der Impfstoffe im Land anders regeln. «Wir denken an eine zentrale Bestellung für alle Ärzte in Niedersachsen», sagte ein Sprecher.

In Hessen sind die Vorräte aus einem bestellten Groß-Kontingent des Landesapothekerverbands erschöpft. Der hessische Hausärzteverband hat hingegen keinen Engpass bemerkt. Auch aus Baden-Württemberg, Bayern, und Nordrhein-Westfalen melden Experten regionale Engpässe.

Eine Art Sammelbestellung gibt es seit Jahren für Kassenärzte in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. «Die Kühlschränke sind noch gut gefüllt», sagte ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung Berlin. Er verwies auf eine Rahmenvereinbarung mit der AOK Nordost. Diese organisiert die Versorgung mit Grippe-Impfstoffen seit 2011 für die drei Bundesländer gemeinsam mit den jeweiligen Apothekerverbänden und hat im Februar bereits den Bedarf ermittelt.

Das Robert Koch-Institut rät insbesondere Menschen über 60, Schwangeren, chronisch Kranken und medizinischem Personal zu einer Grippeimpfung.