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Aufnahmestopp für Ausländer
Essener Tafel will neue Lösungen suchen

Essener Tafel
Ein Fahrzeug der Essener Tafel wurde mit dem Wort «Nazis» beschmiert, weil der Verein vorübergehend keine nichtdeutschen Neukunden mehr aufnehmen will. Foto: Roland Weihrauch
Die Essener Tafel nimmt vorerst nur Deutsche neu in ihre Kartei auf. Die Aufregung ist groß, sogar die Kanzlerin bezieht Stellung. Am Dienstag traf sich der Vorstand zur Krisensitzung. Kann es ein Runder Tisch nun richten?

Essen (dpa) - Nach massiver Kritik am Aufnahmestopp für Ausländer will die Essener Tafel die Verteilung ihrer Lebensmittel an Bedürftige neu organisieren.

Ein Runder Tisch mit Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen soll binnen zwei Wochen zu Beratungen zusammenkommen, wie Essens Sozialdezernent Peter Renzel nach einer Krisensitzung des Vereinsvorstands sagte. Als ihre «Kernzielgruppe» sehe die Tafel vor allem Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern. Den umstrittenen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer hob der Vorstand aber zunächst nicht auf.

Der Verein in Essen - einer von bundesweit Hunderten - gibt Lebensmittelspenden kostenlos an registrierte Empfänger von Sozialleistungen weiter. Die Essener Tafel stellt neue Kundenkarten zum Empfang von Lebensmitteln seit dem 10. Januar bis auf weiteres nur noch für deutsche Staatsbürger aus. Begründet wird dies mit einem hohen Ausländeranteil von 75 Prozent, weshalb sich etwa viele Ältere nicht mehr wohlfühlten und das Hilfsangebot nicht mehr wahrnähmen.

Der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor hatte gerade bei jungen Migranten teilweise auch «mangelnden Respekt gegenüber Frauen» beobachtet. Auch fehle manchem die hierzulande übliche «Anstellkultur» in der Schlange, sagte er. Sozialverbände, Politiker verschiedener Parteien und auch Tafeln anderer Bundesländer hatten das Vorgehen der Essener Tafel teilweise massiv kritisiert.

Sogar CDU-Chefin Angela Merkel missbilligte am Montag die Entscheidung. Damit war das Thema endgültig in der Bundespolitik angekommen. Am Dienstagmorgen dann telefonierte sie mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Die Bundeskanzlerin habe sich kundig gemacht, berichtete Renzel nach der Sitzung. Und sie habe deutlich gemacht, dass sie die Arbeit der Ehrenamtlichen sehr schätze.

Zum geplanten Runden Tisch sagte Renzel: «Wir suchen nach den Möglichkeiten, die Kernzielgruppen zu erreichen unabhängig von ihrem Status.» Dies seien Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern. Der vorübergehende Aufnahmestopp für Ausländer bleibe, «bis wir am Runden Tisch gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeitet haben».

Merkel hatte in einem RTL-Interview zur umstrittenen Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern gesagt: «Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut.» Aber die Entscheidung der Ehrenamtlichen in Essen zeige auch «den Druck, den es gibt», und wie viele auf Lebensmittelspenden angewiesen seien.

Die CSU hielt prompt dagegen. Es dürfe nicht sein, dass «die, die angestammt berechtigt sind» durch respektloses Verhalten anderer von der Tafel ausgeschlossen würden, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag in Berlin. «Es ist richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel.» Und der Essener Tafel-Vorsitzende Jörg Sartor berichtete, dass CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ihn am Morgen angerufen habe, und ihm «den Rücken gestärkt» habe. Die CSU-Bundestagsfraktion habe sich am Vortag lange mit dem Thema befasst.

Die Nationale Armutskonferenz wertete die Debatte als «Alarmsignal». Die Tafeln dürften nicht länger Ausputzer der Nation sein, erklärte die Diakoniedirektorin in Berlin-Brandenburg und Sprecherin der Armutskonferenz, Barbara Eschen. Die Entscheidung der Essener Tafel zeige überdeutlich, wie groß die Zahl derer ist, deren Existenzminimum nicht zum Leben reiche, erklärte Eschen. Die Nationale Armutskonferenz ist ein Zusammenschluss aus Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und deutschlandweit tätigen Fachverbänden und Betroffeneninitiativen.

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