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Nach strikten Ausgangssperren
Europa lockert Corona-Regeln

An die frische Luft
In Italien dürfen die Menschen erstmals wieder zum Sport oder Spaziergang nach draußen. Foto: Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press/dpa
Viele Länder wie Italien lockern nun ihre Ausgangsbeschränkungen. Aber so richtig nach mediterraner Unbeschwertheit fühlt sich das immer noch nicht an. Polizisten versuchen mit erstaunlichen Erklärungen das Regel-Chaos zu lichten.

Rom (dpa) - Die neue Freiheit hat den Geschmack von Cappuccino und Kaffee im Pappbecher: nicht annähernd so gut wie das Original.

Nach fast zwei Monaten der strikten Ausgangssperren dürfen die Italiener wieder Schritte nach draußen machen. Aber der Unmut ist nicht zu überhören. «Für uns hat sich eigentlich nichts geändert, außer dass wir jetzt Take-away-Kaffee kaufen dürfen», sagt Chiara, eine Mutter, die mit ihrem Kind vor einer Bar in Rom steht.

In Parks drehen an diesem Montag Jogger ihre Runden. Sie dürfen jetzt wieder rennen, aber nur alleine, müssen Sicherheitsabstand halten und manche haben sogar Atemschutzmasken an - obwohl die beim Laufen gar nicht Pflicht sind. Die Italiener scheinen nach so vielen Wochen in Quarantäne und nach einem Bombardement mit Horrornachrichten von rund 29.000 Toten wie traumatisiert. Hier wurde im Februar als erstes in Europa bekannt, wie heftig Covid-19 zuschlagen kann.

Die jetzige «Phase Zwei» der Lockerungen soll eigentlich der Anfang einer neuen Realität sein. Dann dürfen Fabriken wieder öffnen, in den U-Bahnen wird mit Punkten signalisiert, wo wer mit Abstand stehen darf. Aber die allermeisten Geschäfte sind im ganzen Land immer noch zu. Museen, Modeläden, Bibliotheken, Friseure und Bars und Restaurants sind für Besucher geschlossen. An Tourismus ist immer noch nicht zu denken.

«Es ist nicht vergleichbar mit der Zeit vor Corona. Wir machen natürlich viel weniger Umsatz, aber ich versuche es mit Mittagessen und Kaffee zum Mitnehmen», sagt der Café-Besitzer Juan Cataneo aus Rom. Er serviert mit Mundschutz, Plastikhandschuhen und Desinfektionsmittel Kaffee aus dem Fenster seiner Bar.

Polizisten fahren weiter ihre Runden, halten Menschen an, die sich zu nahe kommen. Es herrscht Verwirrung darüber, was nun erlaubt ist und was nicht. Freunde darf man nicht besuchen, aber Verwandte schon. Man darf in den Park, sich dort aber nicht hinsetzen. Man darf spazieren, aber sich nicht sonnen. Eine Polizistin erstaunt mit der Erklärung auf die Frage, was man nun dürfe und was nicht: «Es hängt immer von dem ab, der dich kontrolliert.»

Regierungschef Giuseppe Conte steht unter Druck, mehr Geschäfte öffnen zu lassen. Zu schlimm sind die wirtschaftlichen Konsequenzen des langen Lockdowns. Doch er warnt. «So wie noch nie zuvor liegt die Zukunft des Landes in Euren Händen», erklärte er auf Facebook. Die Botschaft: Wer sich daneben benimmt, muss wieder mit einem Zurückdrehen der Maßnahmen rechnen.

Viele Menschen sind erschöpft, vor allem Eltern: Schulen und Kindergärten sind bis September geschlossen. Alternativen gibt es bisher nicht. Eine Umfrage zeigte zuletzt, dass unter denen, die jetzt wieder arbeiten gehen, vor allem Männer sind. Die Frauen passen wohl auf die Kinder auf.

«Ich habe zwei Kinder, 4 und 7, und die Lockerungen sind frustrierend. Die Parks aufzumachen, aber Kindern nicht zu erlauben, miteinander zu spielen, widerspricht sich», sagt die Römerin Joy Giovanelli. «Nach so vielen Wochen in einer Wohnung ohne Garten ist es schwer, neue Wege zu finden, Kinder bei Laune zu halten.»

Nicht nur in Italien, auch in Portugal, Spanien und Griechenland machten die Menschen Trippelschritte nach draußen. In Portugal durften nach dem Ende des sechswöchigen Corona-Ausnahmezustands kleinere Geschäfte mit einer Fläche bis zu 200 Quadratmetern wieder öffnen, darunter Buch-, Friseur- und Schuhläden sowie Autohäuser. In öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften gilt wie in Italien Maskenpflicht. Grund zum Durchatmen: Es sollten auch einige Strandabschnitte geöffnet werden, um verschiedene Wassersportarten wie das Surfen zu ermöglichen.

Auch die Griechen dürfen jetzt nach 42 Tagen wieder «frei» ausgehen. Bislang muss jeder Ausgang elektronisch per SMS gemeldet werden. Ausgang ist nur für den Weg zum Supermarkt, zum Arzt oder zur Apotheke und zum kurzen Spazieren möglich. Zudem darf man nicht weit weg vom eigenen Wohnviertel. Reisen außerhalb der jeweiligen Präfektur sind weiter nicht erlaubt. Auch eine Fahrt vom Festland zu den Inseln ist nicht gestattet.

In Spanien dürfen die Menschen schon seit Samstag wieder sporteln. Noch größere Lockerungen gibt es bereits auf den kaum von dem Virus betroffenen Kanareninseln El Hierro, La Graciosa und La Gomera sowie auf der Baleareninsel Formentera. Dort dürfen Geschäfte und kleinere Märkte sowie Restaurants und Cafés im Freien öffnen. «Ich habe normalerweise 25 Tische, fange jetzt aber erstmal mit acht an, um den Sicherheitsabstand zwischen den Gästen einhalten zu können», sagte der Betreiber einer Strandbar auf La Gomera im Fernsehen. Viele Lokalbesitzer waren mit Zollstöcken und Messbändern im Einsatz, um die Tische und Stühle regelkonform zu positionieren.

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