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Missbrauchsskandal
Fall Maxwell erhöht Druck auf Prinz Andrew

Prinz Andrew
Nach dem Urteil im Fall Maxwell richten sich die Blicke nun auf Prinz Andrew. Foto: Steve Parsons/Pool PA/AP/dpa
Jeffrey Epsteins Helferin Ghislaine Maxwell ist schuldig: Sie hat dem US-Unternehmer bei seinen Missbrauchstaten aktiv unterstützt. In den Fokus rückt jetzt mehr denn je ein Sohn der Queen.

New York/London (dpa) - Das neue Jahr begann einsam für Prinz Andrew. Ex-Frau Sarah Ferguson und die gemeinsamen Töchter Prinzessin Eugenie und Prinzessin Beatrice reisten ohne den 61-Jährigen in den Skiurlaub.

Der zweitälteste Sohn der Queen bleibt seit Jahren der Öffentlichkeit fern. Und bald könnte es noch einsamer werden um Andrew. Denn in diesem Jahr droht ihm ein Schadenersatzprozess in New York: Die US-Amerikanerin Virginia Giuffre beschuldigt Andrew, sie vor 20 Jahren als 17-Jährige sexuell missbraucht zu haben. Die Vorwürfe sind Teil des Missbrauchsskandals um den US-Unternehmer Jeffrey Epstein und dessen Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell.

Prinz Andrew kämpft um Reputation

Wie das neue Jahr für Andrew laufen könnte, entscheidet sich schon jetzt. An diesem Montag (3. Januar) soll eine Abmachung zwischen Epstein und Giuffre von 2009 veröffentlicht werden, in der die heute 38-Jährige gegen eine Zahlung auf juristische Schritte gegen den Unternehmer sowie seine Freunde und Bekannte verzichtet haben soll. Am Dienstag wollen dann Andrews Anwälte in New York vortragen, warum das Gericht die Klage fallen lassen soll. Das Gericht sei gar nicht zuständig.

Andrew weist die Vorwürfe strikt zurück. Doch der Fall hat seiner Reputation bereits enorm geschadet. Royals-Experten sehen ihn als Verlierer, selbst wenn das Gericht im Recht geben sollte. Sollte das Gericht gegen ihn entscheiden, dürfte ihm auch sein königlicher Titel Herzog von York entzogen werden, spekulieren britische Medien.

«Unglücklicherweise für Andrew geht es nicht mehr so sehr um Beweise und Belege oder was, wenn überhaupt, mit Virginia Giuffre passiert ist», zitierte die Zeitung «Daily Mail» einen namentlich nicht genannten Beobachter des Königshauses. «Es geht nur um die öffentliche Wahrnehmung.» Die Anwältin Lisa Bloom, die mehrere Epstein-Opfer vertritt, sagte dem Blatt: «Prinz Andrew sollte in seinen königlichen Stiefeln zittern.»

Im Herbst 2022 könnte es zum Prozess kommen

Tatsächlich sieht es für Andrew nicht gut aus: Denn seine einstige Freundschaft mit dem mittlerweile gestorbenen Epstein sowie dessen Helferin Maxwell, die am Mittwoch wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken schuldig gesprochen wurde, ist bekannt. Mehrmals war das Duo auf Andrews Einladung bei royalen Ereignissen dabei. Andrews Position habe sich wegen des Falls Maxwell weiter verschlechtert, seine Chancen seien schlecht, kommentierte die Zeitung «The Times». Andrew würde wohl nicht persönlich erscheinen, dennoch könnte ein Prozess im Herbst 2022 in New York beginnen, falls Richter Lewis Kaplan das Verfahren nicht doch noch stoppt.

Genau das ist das Ziel von Andrews Anwälten. Mit zwei Anträgen zweifeln sie die Zuständigkeit des Gerichts an. Klägerin Giuffre sei gar nicht wie angegeben im US-Staat Colorado wohnhaft, betonen sie, sondern lebe in Australien. Zudem hätten die angeblichen Taten nicht in New York stattgefunden. Giuffres Anschuldigungen beruhten allein auf ihrer unbestätigten und nicht überprüfbaren Behauptung. Aus ihrer Sicht steht Wort gegen Wort. Ghislaine Maxwell schwieg im Prozess und konnte deshalb auch nicht zu Andrew befragt werden. Britische Medien spekulieren allerdings nun, sie könne doch noch auspacken, um eine mildere Haftstrafe zu erreichen.

Für Verwunderung sorgte, dass Andrew so gut wie keine Rolle im Maxwell-Verfahren spielte. Giuffre wurde von der Anklage nicht als Zeugin geladen, ohne dass die Staatsanwaltschaft dies begründete. Maxwells Anwältin Laura Meninger behauptet, Ursache seien Zweifel an der Glaubwürdigkeit der 38-Jährigen.

Doch der Fall ist emotional aufgeladen. Giuffres Anwälte schießen mit sehr intimen Fragen zurück. Andrew solle Beweise für seine Behauptung vorlegen, dass er gar nicht schwitzen könne, forderten sie nun. Hintergrund ist Giuffres Aussage, sie habe Andrew 2001 als 17-Jährige in einem Londoner Promi-Club kennengelernt. Dabei habe er stark geschwitzt. Später hätten Epstein und Maxwell sie zum Sex mit dem Prinzen gezwungen. Andrew sagte 2019 der BBC, weil er unter Beschuss im Falkland-Krieg 1982 eine Überdosis Adrenalin ausgeschüttet habe, sei er unfähig zu schwitzen.

Mit ihrem Schuldspruch gegen die Epstein-Vertraute Maxwell, die die Entscheidung anfechten will, hat erneut eine US-Jury vor allem auf Basis von Aussagen weiblicher Opfer und nicht aufgrund eindeutiger sachlicher Beweise entschieden - wie bereits im Prozess gegen den ehemaligen Filmmogul Harvey Weinstein im vergangenen Jahr.

Das fatale BBC-Interview

Das sind keine guten Nachrichten für Andrew, der sich seit jeher in dem Fall in schlechtem Licht zeigt. In dem Interview mit der BBC Mitte November 2019, das als Befreiungsschlag gedacht war, redete sich der Queen-Sohn um Kopf und Kragen. Seitdem tritt er nicht mehr öffentlich auf. Als Giuffres Anwälte im Herbst 2021 die Klage zustellen wollten, versteckte sich Andrew, damit er die Gerichtsunterlagen nicht annehmen musste, länger in der schottischen Residenz seiner Mutter, Schloss Balmoral. Nun sollen ihn technische Feinheiten retten.

Doch den Kampf um die öffentliche Wahrnehmung dürfte Andrew verloren haben. Dafür sorgt - neben seinem tölpelhaften Auftreten - allein schon ein berühmtes Foto. Darauf: Andrew, den Arm um die Hüfte der jungen Virginia Giuffre, damals Virginia Roberts, gelegt. Daneben, ebenfalls in die Kamera lächelnd, Ghislaine Maxwell.

Das Verfahren droht, das Jubiläumsjahr von Queen Elizabeth II. zum 70. Jahrestag ihrer Thronbesteigung zu überschatten. Die Königin ist die einzige in der Royal Family, die zu Andrew hält, wie britische Medien berichten. Der mittlere Sohn gilt seit jeher als ihr Liebling.

© dpa-infocom, dpa:220102-99-564715/6