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Hauptziel Normalisierung
Harmonie statt klarer Kritik bei Maas-Besuch in der Türkei

Normalisierung der Beziehungen nach viel Krach um Deutsche in türkischen Knästen, Menschenrechtsverletzungen oder Nazi-Vergleiche - das war das Ziel beim Besuch von Außenminister Maas in der Türkei. Mit Kritik aneinander wollte man die Antrittsreise nicht belasten.

Ankara (dpa) - Außenminister Heiko Maas hat sich bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei auch mit Menschenrechtsaktivisten und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft getroffen.

Bei der Zusammenkunft am Donnerstag waren die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser, und der Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Veysel Ok dabei, wie aus Delegationskreisen verlautete. Außerdem Delal Dink, die Tochter des 2007 ermordeten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink, Görgün Taner von der Istanbuler Kunst- und Kulturstiftung, die Museumsleiterin Nazan Ölcer sowie Hakan Altinay von der European School of Politics.

Das Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft war während der Reise erst spät und dann ohne Details öffentlich gemacht worden. Es war die letzte Zusammenkunft der rund 20-stündigen Reise vor dem Abflug am Mittag. Dahinter könnte stecken, dass die deutschen Organisatoren Druck auf die türkischen Teilnehmer verhindern wollten.

Die Türkei hat seit dem Putschversuch im Jahr 2016 Zehntausende angebliche Staatsfeinde, darunter Journalisten und Menschenrechtler, festnehmen lassen und mehr als 140.000 Staatsbedienstete entlassen. Auch viele Medienhäuser und NGOs wurden geschlossen. Vor seinem Abflug hatte Maas gesagt, «dass die Entwicklung der Türkei, insbesondere die Menschenrechtslage, uns Sorgen bereitet und unsere Beziehungen überschattet». Politiker wie der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff oder der Grüne Cem Özdemir hatten Maas aufgefordert, in der Türkei klare Worte zu sagen zu den Menschenrechtsverletzungen.

Die blieben aber bei den sehr diplomatischen Treffen aus - zumindest öffentlich. Maas wollte während seines Besuchs das Schicksal von sieben aus «politischen Gründen» inhaftierten Deutschen ansprechen. Ihre Freilassung sei Bedingung für die Verbesserung der lange angespannten Beziehungen zur Türkei, hatte er noch in Deutschland gesagt. Während einer Pressekonferenz am Mittwochabend in Ankara wollte er das auf die entsprechende Frage hin aber nicht wiederholen. Er habe mit seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu über die Fälle gesprochen, sagte er nur.

Als am Donnerstag während einer Veranstaltung in der deutschen Schule in Istanbul zum 150-jährigen bei Schülerfragen das Thema NGOs und ihre Funktionen im Staat aufkommt, verzichtete er auf die Steilvorlage, um Probleme in der Türkei anzusprechen und wich in eine ganz andere Richtung aus.

Das Motto der Reise lautete «Normalisierung der Beziehungen». Die waren in den vergangen zwei Jahren von einer ganzen Serie von Problemen belastet worden - von Deutschen in türkischen Knästen bis hin zu Nazi-Vergleichen des türkischen Staatspräsidenten. Der Wille zum Waffenstillstand war auf beiden Seiten spürbar. Der türkische Außenminister Cavusoglu umarmte Maas bei seiner Ankunft erstmal bärig. Später rief er dazu auf, nun in die Zukunft zu schauen: «Wir haben Sachen erlebt, von denen wir wollten sie wären nie passiert. Aber wir wollen nicht in diese Tage zurückkehren.» Dann durfte Maas Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan treffen - auch nicht unbedingt üblich für einen Außenministerbesuch.

Ganz verhalten sprach Maas Probleme öffentlich nur in der deutschen Schule in Istanbul an. Er wünsche der Schule zum 150. Geburtstag, dass sie so bleiben dürfe wie sie sei und dass sie unterstützt werde von den politischen Verantwortlichen in Deutschland und der Türkei, sagte Maas. Er spielte damit auf einen weiteren deutsch-türkischen Konflikt an, der jüngst sogar dazu geführt hat, dass die beiden Regierungen nun ein neues Bildungsabkommen aushandeln müssen.

Türkische Behörden hatten Ende Juni in Izmir eine andere deutsche Schule geschlossen. Das Problem: die deutsch-türkischen und türkischen Schüler, die die Türkei selber beschulen will. Wenn die deutsch-türkische Zusammenarbeit «bei uns so gut geht wie hier an der Schule, dann haben wir schon vieles geschafft», sagte Maas.