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Regierungswechsel steht bevor
Hochrechnung: Sozialdemokraten bei Wahl in Dänemark vorn

Mette Frederiksen
Mette Frederiksen winkt nach ihrer Stimmabgabe in Kopenhagen. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix/AP
Lars Lokke Rasmussen
Dänemarks liberaler Regierungschef Lars Lokke Rasmussen von der Partei Venstre. Foto: Riccardo Pareggiani/AP
Wird es ein Lichtblick für die anderswo so gebeutelten Genossen? Bei der Dänen-Wahl werden die Sozialdemokraten nach Hochrechnungen stärkste Kraft. Beim Nachbarn nördlich von Flensburg könnte damit künftig zum zweiten Mal eine Frau regieren.

Kopenhagen (dpa) - Dänemark steht vor einem Regierungswechsel. Bei der Parlamentswahl sind die dänischen Sozialdemokraten nach Hochrechnungen stärkste Kraft geworden.

Die Partei um ihre Vorsitzende Mette Frederiksen kam am späten Mittwochabend in auf Teilergebnissen basierenden Zahlen des dänischen Rundfunks DR auf mehr als 26 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Nach Auszählung von knapp 70 Prozent der Stimmen lag sie demnach um rund drei Prozentpunkte vor der liberalen Partei des bisherigen Regierungschefs Lars Løkke Rasmussen, die allerdings Zugewinne verzeichnen konnte.

Da den Angaben zufolge aber auch andere linksgerichtete Parteien zulegen konnten und zugleich die rechtspopulistische Dänische Volkspartei heftig abstürzte, kann der sogenannte rote Block um die Sozialdemokraten auf eine Mehrheit im Parlament in Kopenhagen hoffen. Gegen 22.30 Uhr lag das Lager den Berichten zufolge bei 90 der insgesamt 179 Parlamentssitze, während Løkkes blauer Block auf 75 kam. Nicht eingerechnet waren unter anderem die voraussichtlich fünf Sitze für die grüne, zum roten Block neigende Partei Die Alternative. Gleich mehrere Parteien lagen unmittelbar über- oder unterhalb der Zwei-Prozent-Hürde.

Frederiksen strebt als mögliche künftige Ministerpräsidentin zwar eine Minderheitsregierung an. Bei den meisten Themen will sie aber mit dem linksgerichteten Lager zusammenarbeiten. Bei der Einwanderung, bei der die bislang oppositionellen Sozialdemokraten eine striktere Linie verfolgen, will sie dagegen auf Unterstützung aus Løkkes bürgerlich-liberalem Lager setzen.

Der DR warnte, dass sich an den frühen Zahlen im Laufe des Abends noch etwas ändern könne. Bei der EU-Wahl Ende Mai hatten Prognosen erst die Sozialdemokraten knapp vorn gesehen, am Ende wurde dann aber doch Venstre stärkste dänische Kraft. Der Vorsprung der Sozialdemokraten war diesmal jedoch von Anfang an größer.

Umfragen hatten die Sozialdemokraten schon seit Wochen vorne gesehen. Viele Dänen betrachteten Mette Frederiksen damit schon seit längerem als ihre kommende Ministerpräsidentin. Die aus Aalborg in der Region Nordjütland stammende Politikerin beschreibt sich selbst als waschechte Sozialdemokratin, die die entsprechenden Werte bereits in Kindheitstagen mit auf den Lebensweg bekommen habe. Wird sie Ministerpräsidentin, wäre sie nach Helle Thorning-Schmidt erst die zweite Frau, die dieses Amt in der Geschichte Dänemarks bekleidet. Mit 41 Jahren wäre sie jünger als jeder Regierungschef vor ihr.

Für die Dänen war es nach der Europawahl die zweite Abstimmung innerhalb von nur zehn Tagen. Das Interesse der Wahl war dennoch groß: Bereits bis zum frühen Abend zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Bei der vorherigen Parlamentswahl 2015 hatte sie 85,9 Prozent betragen. Zum Vergleich: An der Bundestagswahl in Deutschland 2017 nahmen 76,2 Prozent der Wahlberechtigten teil.

Und noch etwas unterscheidet die Lage in Skandinavien von derjenigen südlich der deutsch-dänischen Grenze: der voraussichtliche Erfolg der Sozialdemokraten. Während die deutschen SPD nach erfolglosen Jahren und dem Abtritt von Parteichefin Andrea Nahles in einem veritablen Führungschaos steckt, stehen die skandinavischen Genossen nun davor, nach Schweden und Finnland mit Dänemark ein drittes Land im hohen Norden zu regieren.

Bleibt es bis zum Ende des Abends bei den Zahlen, dann erlebt die rechtspopulistische Dänische Volkspartei nach der Europawahl die zweite Katastrophenwahl innerhalb kurzer Zeit: Sie kam am späten Abend nach Hochrechnungen auf nur etwa 9 Prozent - nach 21,1 Prozent 2015.

Die Lage der Rechtspopulisten wurde dabei nicht nur durch die sozialdemokratische Einwanderungspolitik und den Mangel an Klimapolitik erschwert, sondern auch durch Konkurrenz von Rechtsaußen. Dort sagten kleinere Parteien dem Establishment mit einwanderungs- und islamfeindlichen Ideen den Kampf an. Die Dänische Volkspartei, die sich einst als «Alternative» zu den etablierten Parteien profilierte, wurde von rechts nun als Teil ebendieses Establishments angegangen.

Insgesamt standen am Mittwoch 13 Parteien zur Wahl. Ein vorläufiges Ergebnis sollte in der Nacht zum Donnerstag feststehen.