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Energiepolitik
2,4 Cent: Umlage trifft alle Gaskunden - Start im Oktober

Gasumlage
Die staatliche Gasumlage wird bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde liegen. Foto: Marijan Murat
Gaszähler
Der Gasverbrauch wird auf einem Gaszähler eines privaten Haushaltes angezeigt. Foto: Bernd Weißbrod
Auf dem langen Weg zur Unabhängigkeit von russischem Erdgas soll auch eine Umlage für alle Gaskunden helfen. 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollen alle zahlen, die Gas verbrauchen.

Berlin/Ratingen. Mit einer milliardenschweren Umlage sollen Gasverbraucher demnächst wichtigen Importeuren unter die Arme greifen, damit diese nicht in die Insolvenz gehen. Die von der Bundesregierung beschlossene Umlage wird pro verbrauchter Kilowattstunde für Firmen und Haushalte gleichermaßen erhoben. Nun wurde die Höhe bekanntgegeben.

Das kommt auf Verbraucher zu

2,419 Cent pro Kilowattstunde werden vom 1. Oktober an als Aufschlag auf den ohnehin drastisch gestiegenen Gaspreis fällig. Die Bundesregierung will keine Mehrwertsteuer darauf erheben: Finanzminister Christian Lindner hat auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten. Für den Fall, dass keine Ausnahme gemacht wird, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck «Ausgleichsmechanismen» angekündigt. Viele Menschen sind betroffen, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

Was die 2,4 Cent für den Geldbeutel bedeuten

Für einen Einpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden bedeutet die Umlage ohne Mehrwertsteuer jährliche Zusatzkosten von rund 121 Euro. Mit wären es rund 144 Euro. Für einen Familienhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden liegen die Mehrkosten bei rund 484 Euro im Jahr. Kommt die Mehrwertsteuer hinzu, sind es 576 Euro.

Wann die Umlage bei den Verbrauchern ankommt

Die Umlage gilt ab Anfang Oktober. Sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Ankündigungsfristen von vier bis sechs Wochen müssten eingehalten werden. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erst im November oder Dezember erstmals auf den Rechnungen ausgewiesen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.

Wie lange Gaskunden die Umlage zahlen sollen

Die Umlage endet am 1. April 2024. Sie wird laut Wirtschaftsministerium monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Die Ausgleichszahlungen bekommen die Importeure nur unter bestimmten Bedingungen. Abgerechnet werden können 90 Prozent der Mehrkosten. Noch bis Ende September müssen die Unternehmen alle Mehrkosten selbst tragen. Sollte Russland gar kein Gas mehr liefern, hält Habeck es für wahrscheinlich, dass die Umlage steigt.

Wem die Gasumlage helfen soll

Den Firmen, die in der Vergangenheit günstiges russisches Erdgas nach Deutschland importiert haben. Sie bekommen noch einen Bruchteil der vertraglich zugesicherten Liefermengen. Gleichzeitig haben sie ihren Abnehmern wie Stadtwerken genau dieses Gas versprochen. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, müssen sie kurzfristig Gas an der Börse teuer hinzukaufen. Die Folge: Bei den Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden. Der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet sein. Beim größten Gasimporteur Uniper war die Lage so dramatisch, dass noch vor Einführung der Umlage ein milliardenschweres Rettungspaket nötig wurde. Habeck bezeichnete die Umlage als eine «bittere Medizin». Die Alternative zu den Hilfsmaßnahmen wäre ein Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen.

Warum Russland deutlich weniger Gas nach Deutschland pumpt

Russland macht technische Gründe dafür verantwortlich. Die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben. Habeck sprach am Montag von einer «von russischer Seite verursachten künstlichen Energieknappheit» im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Bürger sollen entlastet werden

Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte den Bürgern erneut ein weiteres Entlastungspaket zu. «Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten», schrieb der SPD-Politiker auf Twitter und räumte gleichzeitig ein: «Es wird teurer – da gibt es kein drumherumreden. Die Energiepreise steigen weiter.» Bisher seien schon staatliche Hilfen über 30 Milliarden Euro beschlossen worden. Habeck sagte, die Bundesregierung habe sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. «Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern.»

Welche Unternehmen davon profitieren

Zwölf Gasimporteure haben ihre Ersatzbeschaffungskosten angemeldet. Darunter sind Uniper, VNG und EWE. RWE und Shell wollen auf eine Kostenerstattung verzichten. Insgesamt haben die zwölf Unternehmen bis Anfang April 2024 zunächst rund 34 Milliarden Euro geltend gemacht, teilweise aufgrund von Schätzungen. Wirtschaftsprüfer und die Bundesnetzagentur sollen darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Wie sich die Umlage auf Festverträge und Fernwärmeverträge auswirkt

Das ist noch nicht ganz klar und wird geprüft. Gegebenenfalls wird es noch Gesetzesänderungen geben. Habeck wies darauf hin, dass es auch viele Festverträge mit einer Preisanpassungsmöglichkeit für staatliche Abgaben gibt.

Welche Umlagen noch kommen

Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll die Kosten ersetzen, die für die Extra-Einspeicherung von Erdgas zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Winter entstehen. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine «relevante Größe» erreichen wird.

Die Folgen für die Volkswirtschaft

Die Gasumlage wird nach Ansicht von Ökonomen zu einer Steigerung der Inflationsrate führen. So hält das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Inflationsrate im vierten Quartal um die zehn Prozent für möglich. Experten der Commerzbank gehen von einer Steigerung der Teuerung bis Jahresende auf deutlich über neun Prozent aus.

© dpa-infocom, dpa:220815-99-388174/20