1. Startseite
  2. Überregionales
Logo

Verhandlungen in Jerusalem
Israel: Gantz und Netanjahu ringen um Regierungsbildung

Regierungsbildung in Israel
Wahlplakate zeigen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (r) und den Oppositionspolitiker Benny Gantz (l). Foto: Oded Balilty/AP/dpa
Lange hatte Israels Oppositionskandidat Gantz eine Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu wegen dessen Korruptionsanklage abgelehnt. Doch die Corona-Krise setzt die Spitzenpolitiker nun unter Druck.

Jerusalem (dpa) - Die Verhandlungen für eine neue Regierung in Israel sind wieder ergebnislos verlaufen. Oppositionskandidat Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß hat noch bis zum späten Mittwochabend Zeit, eine Koalition zu schmieden.

Ein Treffen zwischen Gantz und Regierungschef Benjamin Netanjahu von der rechtskonservativen Likud-Partei sei beendet, teilten beide Parteien in einer Stellungnahme mit. Beide Verhandlungsteams wollten nach Ende des Pessachfestes am Mittwochabend erneut zusammenkommen, um eine «nationale Notstandsregierung» zu formen.

Ob das Treffen angesichts strikter Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Krise lediglich online erfolgen soll, sagte eine Sprecherin von Blau-Weiß zunächst nicht. In Israel dürfen die Bürger bis Donnerstagmorgen grundsätzlich ihre Städte und Dörfer nicht verlassen, in Jerusalem ihre Viertel. Damit will die Regierung verhindern, dass sich Familien zum Ende des jüdischen Pessachfestes treffen und die Verbreitung von Sars-CoV-2 befeuern. Das Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei.

Präsident Reuven Rivlin hatte die Frist zur Regierungsbildung für Gantz in der Nacht zum Dienstag um weitere 48 Stunden verlängert. Die neue Frist werde am Mittwoch um 24 Uhr (23 Uhr MESZ) enden, teilte Rivlins Büro mit. Sowohl Gantz als auch Netanjahu unterstützten die entsprechende Anfrage - sie sei unter der Voraussetzung zum Präsidenten gebracht worden, dass man nahe an einer Einigung sei, hieß es.

Beide haben die Absicht bekundet, eine große Koalition von Blau-Weiß und Netanjahus Likud zu bilden. Eine vierwöchige Frist zur Regierungsbildung für Gantz war am Montag um Mitternacht abgelaufen.

Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanjahu verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger das dritte Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren Sieger, aber Gantz erhielt wegen mehr Empfehlungen von Abgeordneten den Auftrag zur Regierungsbildung. Er strebt vor dem Hintergrund der Corona-Krise eine große Koalition mit Netanjahu an, obwohl dieser wegen Korruption in drei Fällen angeklagt ist. Aus Protest dagegen hat sich ein Teil seines Bündnisses von Blau-Weiß abgespalten.

Ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen war nach Medienberichten noch am Montag die Forderung des Likud nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern gewesen. Am Dienstag berichteten Medien, beide Seiten diskutierten eine Vereinbarung, wonach es zu Neuwahlen kommen werde, sollte das Höchste Gericht Netanjahu das Amt des Regierungschefs aufgrund seiner Korruptionsanklage verweigern. Grundsätzlich ist demnach eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten vorgesehen. Netanjahu soll als Erster eineinhalb Jahre lang das Amt bekleiden und dann von Gantz abgelöst werden.

Unter dem Eindruck der Corona-Krise war der Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu Mitte März verschoben worden. Er soll nun erst am 24. Mai beginnen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Sollten Gantz und Netanjahu sich nicht auf eine Regierung einigen, will Rivlin nach eigenen Angaben das Mandat zur Regierungsbildung an das Parlament geben. Liegt das Mandat bei der Knesset, kann jeder Abgeordnete - auch Gantz und Netanjahu - versuchen, binnen 21 Tagen die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier zu finden. Danach hat er noch einmal zwei Wochen Zeit, eine Koalition zu schmieden. Scheitert dies, muss Israel zum vierten Mal seit April 2019 wählen.