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Neuwahl oder neue Koalition?
Italiens Regierungschef tritt zurück

Giuseppe Conte
Giuseppe Conte ist von Staatspräsident Mattarella gebeten worden, mit seiner Regierung vorerst im Amt zu bleiben. Foto: Roberto Monaldo/LaPresse via ZUMA Press/dpa
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hat offiziell seinen Rücktritt eingereicht. Derweil beginnt der politischer Machtpoker auf der Suche einer Lösung. Sogar in der Opposition scheinen die festen Bande zu brechen.

Rom (dpa) - Nach dem Bruch der Regierungskoalition in Italien vor zwei Wochen hat Ministerpräsident Giuseppe Conte offiziell seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella eingereicht.

Mitten in der Corona-Pandemie und im Ringen um wichtige EU-Hilfsgelder drohen Italien nun schwere politische Turbulenzen. Etwas mehr als 500 Tage hatte das zweite Kabinett Contes gehalten. Conte jagte im Auto von einem Termin zum nächsten, um in seinem Kabinett, bei Mattarella und im Parlament seinen Rücktritt bekannt zu geben.

Bereits an diesem Mittwoch sollen die Beratungen darüber beginnen, wie es weitergeht, teilte der Quirinalspalast mit. Mattarella bat Contes Regierung, vorerst im Amt zu bleiben. Außenminister Luigi Di Maio schrieb auf Facebook, mit einer zurückgetretenen Regierung werde nun alles schwerer und langsamer.

Der Staatspräsident behielt sich das Recht vor, Conte erneut das Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen. Zumindest die im Mitte-Links-Bündnis verbliebenen Politiker der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, der Sozialdemokraten und der linken Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen) wollen mit dem parteilosen Anwalt weiter machen.

Die Karten in der italienischen Politik könnten damit neu gemischt werden. Denn nachdem Matteo Renzi mit seiner Kleinpartei Italia Viva Mitte Januar die Koalition im Streit um die Verwendung von EU-Hilfsgeldern verlassen hatte, steht er als Bündnispartner nicht mehr oben auf der Liste. Ganz verschließen will man sich ihm jedoch auch nicht, wie Verteidigungsminister Lorenzo Guerini von den Sozialdemokraten der Zeitung «La Repubblica» sagte. Es gilt daher, eine neue Mehrheit zu finden - mit Stimmen von Überläufern oder aus anderen Lagern.

In dieser Woche hätte der Regierung eine symbolträchtige Niederlage in einer eigentlich standardmäßigen Abstimmung über einen Justiz-Bericht im Parlament bevor gestanden. Ein Dämpfer, den der 56-jährige Conte offensichtlich nicht hinnehmen wollte, um nicht die letzten Chancen für einen Neuanfang mit einem dritten Kabinett unter ihm zunichte zu machen.

Eine andere ins Spiel gebrachte Konstellation ist die sogenannte Maggioranza Ursula (Ursula-Mehrheit). Dabei würden die Parteien koalieren, die für Ursula von der Leyen einst als EU-Kommissionschefin gestimmt hatten, also die Fünf-Sterne-Bewegung, Sozialdemokraten, Liberi e Uguali und die konservative Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Diese Idee gefällt dem rechten Oppositionsblock allerdings überhaupt nicht. Vor allem Ex-Innenminister Matteo Salvini, der sich bei vorgezogenen Neuwahlen eine Regierungsmehrheit mit der Forza Italia und den rechten Fratelli d'Italia ausmalt, ist davon und auch von anderen Überläufern aus dem rechten Lager nicht begeistert.

Eine weitere Möglichkeit wäre eine Expertenregierung, wenn sich keine Mehrheit findet. Sie sollte Italien in erster Linie durch seine drängendsten Probleme manövrieren, wie die Corona-Krise und die Frage nach einem Plan für die Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds, den das Land in Brüssel vorlegen muss. Italien braucht die Mittel dringend für Investitionen nach der Corona-Krise. Als Regierungschef wird unter anderem der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, gehandelt.

Die wohl unbeliebteste Alternative sind vorgezogene Wahlen. Eigentlich müssten die Italiener erst im Jahr 2023 wählen. Die Befürchtung ist, dass im Fall einer Neuwahl die rechten Parteien viele Stimmen hinzugewinnen, was nicht zuletzt auch dem sozialdemokratischen Staatsoberhaupt Mattarella Sorgen bereitet. Ex-Ministerpräsident Romano Prodi sagte dazu in der «La Repubblica»: «Italien kann es sich nicht leisten, weitere Monate für den Wahlkampf zu verschwenden.»

© dpa-infocom, dpa:210126-99-168782/6