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Polizei vermutet Beziehungstat
Jugendamt betreute getötete 17-Jährige und Tatverdächtigen

Hat das Jugendamt in Flensburg möglicherweise die Gefahr nicht erkannt? Die 17-Jährige, die in ihrer Wohnung erstochen wurde, war in der Obhut der Behörde. Ebenso galt dies für den 18 Jahre alten Tatverdächtigen. Er war als unbegleiteter Minderjähriger aus Afghanistan nach Deutschland geflohen.

Flensburg (dpa) - Nach den tödlichen Stichen auf eine 17-Jährige in Flensburg könnten auf das Jugendamt der Stadt unangenehme Fragen zukommen. Das Opfer und der mutmaßliche Täter, ein 18 Jahre alter Asylbewerber aus Afghanistan, waren beide bis zuletzt vor der Tat von der Behörde betreut worden.

Das bestätigte der Sprecher der Stadt, Clemens Teschendorf, der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte eine Aktivistin von «Refugees Welcome Flensburg» darauf hingewiesen. Behörden gehen von einer Beziehungstat aus.

Teschendorf betonte, zu Einzelheiten der Betreuung könne er sich aus Datenschutzgründen nicht äußern. Das Mädchen sei aufgrund seiner Familiensituation seit vielen Jahren betreut worden. Der junge Afghane, der 2015 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen war, werde auch in der Untersuchungshaft weiterhin betreut.

Die Staatsanwaltschaft geht von Totschlag aus. Der Mann steht im Verdacht, die junge Frau in ihrer Wohnung am Montagabend mit einer Stichwaffe so schwer verletzt zu haben, dass sie noch am Tatort starb. Reanimierungsversuche hatten keinen Erfolg.

Überprüfungen hätten ergeben, dass mit dem sichergestellten Messer ein solches Tötungsdelikt möglich sei, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt der Deutschen Presse-Agentur.

Die Suche nach dem Motiv dauert an. «Die Polizei geht nach den bisherigen Ermittlungen von einer Beziehungstat aus und wir teilen, falls der Tatverdächtige tatsächlich der Täter sein sollte, diese Einschätzung», sagte Teschendorf.

Zurückhaltender äußerte sich Stahlmann-Liebelt: «Bislang wissen wir nur, dass die beiden eine Beziehung hatten. Warum es zur Gewalttat kam, dazu können wir noch gar nichts sagen.» Auch zu dem Aspekt, ob Religion eine Rolle spielte, lasse sich derzeit nichts sagen. «Wir werden selbstverständlich alles überprüfen, was uns wichtig erscheint.»

Die «Bild»-Zeitung zitierte in ihrer Online-Ausgabe eine Freundin des Opfers: «Ahmad und Mireille waren seit dem 30. Januar 2016 ein Paar. Es gab häufiger Streit. Er wollte, dass sie immer ein Kopftuch trägt und zum Islam konvertiert. Wenn sie hin und wieder ohne Kopftuch rumlief, gab es Streit.»

Dem «Flensburger Tageblatt» hat ein Mieter, der namentlich nicht genannt werden wollte, gesagt: «Es hat lautstarke Auseinandersetzungen gegeben, auch körperlich sind die beiden aneinandergeraten.» Es habe Anzeigen des Mädchens bei der Polizei gegeben.

Bei der Staatsanwaltschaft Flensburg sind nach Angaben Stahlmann-Liebelts bis zu der Gewalttat keinerlei Verfahren gegen den jungen Mann anhängig gewesen. «Ob es andere Vorfälle gegeben hat, wird geprüft.»

Der Tatverdächtige hüllt sich in der Untersuchungshaft weiterhin in Schweigen. Er mache keine Aussagen, sagte die Juristin.

Das Mädchen lebte allein in einer Wohnung in einem Mietshaus einer Genossenschaft in Flensburg. Über die Wohnsituation des 18-jährigen Tatverdächtigen machte Teschendorf keine Angaben. Er verwies aber allgemein darauf, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlingen in geeigneten Wohneinrichtungen untergebracht sind und mit Vollendung des 18. Lebensjahres in Wohngruppen untergebracht werden können.

Ob das Jugendamt bei der Betreuung der Jugendlichen möglicherweise Fehler gemacht oder die Gefahrensituation falsch eingeschätzt habe? Darauf antwortete Teschendorf mit dem Hinweis, dass es zwischen Jugendlichen gerade in dem Alter immer wieder Konflikte in Beziehungen gebe. «Es geht darum, Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten und ihnen zu helfen. Wir können aber Jugendliche nicht bevormunden: "Ihr könnt nicht zusammen sein".» Einen Kontakt könne die Behörde nur auf Wunsch eines Jugendlichen untersagen, wenn er sich bedroht oder belästigt fühle.

Die Betreuung durch Jugendamt und Beratungshilfen sei engmaschig. «Da kommt nicht ein Mitarbeiter nur einmal pro Woche, um nach dem Rechten zu schauen.» Vielmehr werde in Gesprächen versucht, die Probleme der Jugendlichen aufzuarbeiten und ihnen auf ihrem Lebensweg zu helfen.