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Justiz prüft Auslieferung
Kataloniens Ex-Präsident in Deutschland festgenommen

Die spanische Justiz hat am Freitag neue europäische Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer erlassen. Nur zwei Tage später wird der frühere Regionalpräsident Puigdemont auf einer Raststätte in Deutschland gefasst. Wird Deutschland ihn ausliefern?

Kiel/Barcelona (dpa) - Der von der spanischen Justiz verfolgte katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist in Deutschland festgenommen worden.

Nach Angaben der Polizei wurde der ehemalige Regionalpräsident am Sonntagmittag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt. Grundlage sei ein europäischer Haftbefehl, erklärte das Landespolizeiamt in Kiel. In Spanien wird wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen des Verdachts auf Rebellion gegen Puigdemont ermittelt.

In Barcelona demonstrierten am Abend nach Polizeiangaben rund 55 000 Menschen gegen die Festnahme. Bei Zusammenstößen mit der Polizei, die auch Schlagstöcke einsetzte, wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden mehr als 50 Menschen verletzt. Es gab drei Festnahmen. Mit Parolen wie «Politische Gefangene befreien» zogen die Demonstranten von der Vertretung der Europäischen Kommission zum deutschen Konsulat.

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte am Freitag Strafverfahren gegen Puigdemont und weitere zwölf Regionalpolitiker eröffnet. Gegen sieben Separatisten, die sich ins Ausland abgesetzt hatten, wurden neue Haftbefehle erlassen, darunter auch gegen Puigdemont. Ihm drohen in der Heimat bis zu 30 Jahre Haft.

Die Justiz in Schleswig-Holstein prüft jetzt, ob Puigdemont an Spanien ausgeliefert wird. Der 55-Jährige wurde am Sonntagnachmittag zunächst in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. An diesem Montag soll er zur Identitätsfeststellung dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt werden. Über die Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen sei, habe das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zu entscheiden, erklärte Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper.

Spanien muss seinen Angaben zufolge nun Unterlagen vorlegen, aus denen sich ein Grund für eine Auslieferung ergibt. Das Oberlandesgericht prüfe dann, ob eine Übergabe Puigdemonts an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Sollten keine rechtlichen Hindernisse einer Auslieferung im Wege stehen, werde anschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig entscheiden, sagte Döpper.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sieht Puigdemont vor einem klaren rechtsstaatlichen Verfahren. In der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» betonte sie am Abend, zunächst liege dieses Verfahren in den Händen der schleswig-holsteinischen Behörden. Auf die Frage nach den politischen Interessen in dem Fall erklärte die Ministerin: «Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristische und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten.»

Nach dem von Madrid für illegal erklärten Unabhängigkeitsreferendum sowie einem Beschluss zur Abspaltung Kataloniens von Spanien war Puigdemont Ende Oktober 2017 von der spanischen Zentralregierung als Regionalpräsident abgesetzt worden. Unmittelbar nach seiner Amtsenthebung setzte sich Puigdemont nach Brüssel ab, um der spanischen Justiz zu entkommen.

Schon damals hatte Spanien einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont beantragt. Aber noch während in Belgien die Anhörungen liefen, zog das Oberste Gericht in Spanien diesen Anfang Dezember überraschend zurück. In Belgien und anderen Ländern konnte er sich daher frei bewegen. Der neue Antrag folgte nach spanischen Medienberichten am Freitagabend.

Puigdemont hatte sich in den vergangen Tagen zu Gesprächen im finnischen Parlament aufgehalten, am Freitag hielt er eine Rede an der Universität Helsinki. Anschließend wollte er nach Angaben seines Sprechers über Dänemark und Deutschland zurück nach Belgien reisen. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereiterklärt, Puigdemont zu verhaften, doch kam die Entscheidung offenbar zu spät.

Kräfte der Landespolizei Schleswig-Holstein nahmen Puigdemont am Sonntag um 11.19 Uhr auf einer Raststätte nahe der Autobahnabfahrt Schleswig-Schuby fest. Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur einen Tipp bekommen. Döpper sagte dazu lediglich: «Wir hatten nur die Erkenntnisse, dass er sich in Deutschland aufhalten soll beziehungsweise einreist.»

Nach «Focus»-Informationen soll der spanische Nachrichtendienst Puigdemont die ganze Zeit im Visier gehabt haben. Als er sich von Finnland in Richtung Deutschland aufgemacht habe, hätten die Spanier das Bundeskriminalamt informiert. Dieses habe dann den entscheidenden Hinweis an die Polizei in Schleswig-Holstein gegeben.

Die Linke forderte, Puigdemont sofort wieder frei zu lassen. Die Festnahme sei eine «Schande», erklärte der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. «Puigdemont wurde auf Grundlage des EU-Haftbefehls festgenommen, weil er in Spanien wegen «Rebellion» angeklagt ist.» Rebellion sei aber kein europäischer Straftatbestand und gehöre nicht zu den 32 Delikten, nach denen auf Grundlage des EU-Haftbefehls ausgeliefert werden muss.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki, ein erfahrener Jurist, schloss daher in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montag) aus, dass es zu einer Auslieferung wegen dieses Straftatbestands kommen wird. Eine Auslieferung aus anderen Gründen sei aber natürlich denkbar.

Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war.

Puigdemont und der europäische Haftbefehl

Der Europäische Haftbefehl vereinfacht und beschleunigt die Auslieferung eines Verdächtigen zwischen zwei Mitgliedstaaten der EU. Die Justizbehörden arbeiten dabei direkt zusammen, der diplomatische Weg wie beim traditionellen Auslieferungsverfahren entfällt.

Grundsätzlich gilt, dass Entscheidungen in Strafsachen gegenseitig anerkannt werden und daher ein Gesuchter unproblematisch ausgeliefert werden kann. Bei bestimmten schweren Straftaten wie Terrorismus ist dies ohne weitere Prüfung möglich.

Ein Europäischer Haftbefehl ist eine Eilsache. Wird ein Gesuchter festgenommen, soll eine Entscheidung über die Vollstreckung innerhalb von 10 bis 60 Tagen erfolgen - je nachdem ob der Betroffene seiner Auslieferung zustimmt oder nicht.