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Bahn steht fast still
Krawalle bei Protesten gegen Rentenreform in Frankreich

Generalstreik in Frankreich
Bei den Demonstrationen gegen die geplante Rentenreform in Frankreich kam es zu Ausschreitungen. Foto: Thibault Camus/AP/dpa
Demonstration gegen Rentenreform
Protest in Paris: Ein Skelett in einer Richterrobe und einem Schild mit der Aufschrift «Macron hat mich getötet». Foto: Michel Euler/AP/dpa
Generalstreik in Frankreich
Polizisten formieren sich in Paris inmitten einer dichten Rauchwolke. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP/dpa
Geschlossen
Die geschlossene Metro-Station «Opéra» in Paris. Foto: Christian Böhmer/dpa
Protest in Frankreich
Demonstranten tragen ein Plakat mit der Aufschrift «Battre Macron en Retraite» (sinngemäß: «Macron zum Rücktritt zwingen»). Foto: David Vincent/AP/dpa
Arc de Triomphe
Polizeifahrzeuge parken am Arc de Triomphe in Paris. Foto: Francois Mori/AP/dpa
"Generalstreik"
Ein Eisenbahner hält eine Fackel während eines Streiks im Alten Hafen von Marseille. Foto: Daniel Cole/ap/dpa
Leere Champs-Élysées
Bahn frei: Während des Streiks ist nichts los auf den Champs-Elysees. Foto: Francois Mori/AP/dpa
Kein Bahnverkehr am Bahnhof Saint Lazare
Kein Bahnverkehr am Bahnhof Saint Lazare in Paris. Foto: Michel Euler/AP/dpa
Das französische Rentensystem reformieren? Daran haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Nun wagt Macron einen Versuch - und treibt die Franzosen auf die Straße.

Paris (dpa) - Massive Streiks gegen die geplante Rentenreform haben in Frankreich den öffentlichen Verkehr fast komplett lahmgelegt. Hunderttausende Menschen gingen im ganzen Land auf die Straße.

In der Hauptstadt Paris fuhren am Donnerstag fast keine Metros, die meisten Linien wurden nicht bedient, Bahnhöfe waren geschlossen. Am Rande der Proteste kam es vor allem in der Hauptstadt zu Ausschreitungen.

Das Innenministerium sprach am Abend von 806.000 Teilnehmern im ganzen Land, wie der Radionachrichtensender Franceinfo und andere Medien berichteten. Die Gewerkschaft CGT zählte hingegen mehr als 1,5 Millionen Demonstranten - dies sei eine «historische Mobilisierung» gewesen. Nach den «Gelbwesten»-Protesten ist die Rentenreform die nächste große Herausforderung für Präsident Emmanuel Macron und ein durchaus heikles Vorhaben.

Auch Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm blieben zu. Bei der Staatsbahn SNCF legten mehr als die Hälfte der Mitarbeiter die Arbeit nieder. Etliche Lehrer traten ebenfalls in den Ausstand. Auch Reisende in Deutschland waren von den Streiks betroffen.

Zahlreiche Gewerkschaften hatten im Konflikt um die geplante Rentenreform zu den branchenübergreifenden Streiks aufgerufen. Auch im Öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern oder der Justiz wurde die Arbeit niedergelegt.

Mit der Rentenreform will die Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 Einzelsysteme für bestimmte Berufsgruppen beenden. Sonderregeln, die von anderen oft als Privilegien gewertet werden, gibt es zum Beispiel für Eisenbahner oder Mitarbeiter der Energiewirtschaft. So können Lokführer theoretisch mit Anfang bis Mitte 50 in Rente gehen. Das normale Renteneintrittsalter liegt bei 62 Jahren. Künftig soll ein Punktesystem die Höhe der Rente mitbestimmen. Außerdem soll es Anreize geben, länger zu arbeiten.

In der Hauptstadt Paris versammelten sich zahlreiche Demonstranten zu einem großen Protest. Am Nachmittag kam es vor allem am Place de la République im Zentrum der Stadt zu Krawallen. Vermummte mischten sich unter die Demonstranten, Autos wurden angezündet und Scheiben eingeschlagen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Allein in Paris waren 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Auch in anderen Städten des Landes versammelten sich die Menschen - etwa in Nantes, Lyon oder Marseille.

Die französische Staatsbahn hatte angekündigt, dass nur rund einer von zehn Schnellzügen TGV am Donnerstag fahren werde. An großen Pariser Bahnhöfen herrschte am Morgen gähnende Leere. Nach Angaben der SNCF haben knapp 86 Prozent der Fahrer und 73 Prozent der Schaffner die Arbeit niedergelegt. Auch im Luftverkehr kam es zu Behinderungen. Aktivisten der Umweltbewegung Extinction Rebellion (XR) machten nach eigenen Angaben Tausende E-Tretroller in mehreren französischen Städten fahrunfähig. XR nannte die Roller «Streikbrecher».

Der Streik soll in den kommenden Tagen weitergehen. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP etwa wollen ihren Ausstand bis mindestens Montag verlängern, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Gewerkschaften berichtete. Auch die SNCF kündigte an, dass der Bahnverkehr am Freitag im ganzen Land wieder «sehr gestört» sein werde. Die französische Zivilluftfahrtbehörde rief die Fluggesellschaften auf, auch am Freitag ihr Flugaufkommen um 20 Prozent zu reduzieren.

Der große Streik hatte am Donnerstag auch Auswirkungen auf Reisende in Deutschland. Zugfahrten von und nach Frankreich fielen aus. Betroffen waren etwa die ICE-Verbindungen von Frankfurt über Mannheim und Saarbrücken nach Paris sowie von München über Stuttgart und Straßburg nach Paris, ebenso die TGV-Verbindung Frankfurt-Mannheim-Straßburg-Marseille.

Der Massenprotest trifft auch Paris-Touristen: Im Eiffelturm gab es dem Betreiber zufolge nicht ausreichend Personal, um die Touristenattraktion an der Seine zu öffnen. Der 130 Jahre alte Turm wird jährlich von rund sieben Millionen Menschen besucht. Pariser Museen wie der Louvre hatten bereits vor den Streiks vor Einschränkungen für Besucher gewarnt. Das Impressionisten-Museum Musée d'Orsay blieb ebenfalls zu.

In Frankreich fürchten nun viele einen Streik wie zuletzt 1995. Da wurde wochenlang gegen die Renten- und Sozialversicherungsreform des damaligen Premierministers Alain Juppé protestiert. Auch der aktuelle Streik könnte sich hinziehen.

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