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UN-Tribunal
Lange Haftstrafen für serbische Ex-Sicherheitschefs

UN-Tribunal
Die ehemaligen Chefs des serbischen Sicherheitsdienstes, Jovica Stanišic (2.v.l) und Franko Simatovic (r), sitzen auf der Anklagebank. Foto: Martijn Beekman Pool/ANP POOL/dpa/Archivbild
Elite-Einheiten brachten im Balkankrieg Tod und Verderben. Ihr Ziel: Ein ethnisch reines Groß-Serbien. Dafür müssen nun zwei Vertraute von Ex-Präsident Milosevic in Haft.

Den Haag (dpa) - Mehr als 25 Jahre nach Ende des Bosnien-Krieges hat ein UN-Tribunal in Den Haag zwei ehemalige Chefs des staatlichen serbischen Sicherheitsdienstes zu langen Haftstrafen verurteilt.

Jovica Stanišic (70) und Franko Simatovic (71) müssen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit jeweils zwölf Jahre in Haft. Sie seien schuldig wegen Beihilfe zum Mord, Deportationen, Vertreibung und Verfolgung im Bosnienkrieg, urteilte das Gericht in Den Haag.

2013 waren beide Angeklagte noch in einem höchst umstrittenen Urteil freigesprochen worden. 2015 war das erste Urteil aber ungültig erklärt und ein völlig neuer Prozess angeordnet worden. Der endete nun mit dem Schuldspruch.

Verurteilte dürften schnell frei kommen

Chefankläger Serge Brammertz begrüßte den Schuldspruch als wichtigen Schritt zur Gerechtigkeit. Er wolle jedoch noch prüfen, ob er Berufung einlegen werde. Stanišic und Simatovic hatten ihre Unschuld beteuert. Da die Zeit der Untersuchungshaft von der Strafe abgezogen wird, kommen sie vermutlich schnell auf freien Fuß. Sie waren 2003 festgenommen und nach dem ersten Freispruch 2013 freigelassen worden.

Dies war das letzte Verfahren vor dem UN-Gericht zu Verbrechen im Bosnienkrieg (1991-1995). Erst im Juni war auch in letzter Instanz der serbische Ex-General Ratko Mladic für den Völkermord von Srebrenica 1995 zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Stanišic war Leiter des staatlichen Sicherheitsdienstes und Simatovic sein Stellvertreter. Beide waren Vertraute des damaligen Präsidenten Slobodan Milosevic. Auch ihm war vor dem Tribunal der Prozess gemacht worden, doch Milosevic war 2006 noch vor der Urteilsverkündung in der Haft gestorben.

«Ethnisch reines Großserbien» als Ziel

Nach Ansicht des Gerichts spielten die beiden Männer eine «bedeutende Rolle» beim Aufbau von paramilitärischen Einheiten, die für eine Terrorkampagne gegen Muslime und Kroaten verantwortlich waren. Insbesondere sah das Tribunal die Schuld für Verbrechen in der bosnischen Stadt Bosanski Šamac im April 1992 als erwiesen an. Die Anklage hatte lebenslange Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Der Vorsitzende Richter Burton Hall schilderte in der Urteilsbegründung die «Terrorkampagne» der serbischen paramilitärischen Einheiten gegen die nicht-serbische Bevölkerung, wie Kroaten und Muslime. Diese Elite-Einheiten waren eingesetzt worden, um durch Mord, Vertreibung und Zerstörung ein «ethnisch reines Großserbien» zu erreichen.

Die Angeklagten hätten von den Verbrechen gewusst und sie hätten auch durch den Aufbau der Einheiten dazu beigetragen, urteilten die Richter. Allerdings habe die Anklage nicht zweifelsfrei bewiesen, dass die beiden Männer auch Verbrechen befohlen hatten.

© dpa-infocom, dpa:210630-99-207431/7