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Prozesse
Lebenslange Haft wegen Frauenmordes im Klosterwald-Prozess

Urteil im Klosterwald-Mordprozess
Der 54 Jahre alte Angeklagter sitzt im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Osnabrück. Foto: Elmar Stephan
Eine junge Frau wird im September 2015 in einem Waldgebiet in Niedersachsen getötet. Ein Sexualmord? Der Tathergang bleibt trotz eines Urteils weiter unklar.

Osnabrück. Es ist der dritte Anlauf der niedersächsischen Justiz für ein Urteil zum Frauenmord im Klosterwald von Rehburg-Loccum im Jahr 2015.

Am Donnerstag verurteilte die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Osnabrück den 54 Jahre alten Deutschen wegen Mordes an einer 23-Jährigen zu einer lebenslangen Haftstrafe. Zugleich ordneten die Richter die Sicherungsverwahrung des Mannes an. Von dem bereits mehrfach wegen Sexualdelikten an Frauen verurteilten Mann gehe eine Gefährdung der Öffentlichkeit aus, erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Frommeyer. (Az.: 6 Ks 5/21)

Was genau an diesem Nachmittag des 12. September 2015 im Klosterwald geschah, habe sich aber nicht mehr rekonstruieren lassen, räumte Frommeyer ein. Er gestand dem Angeklagten und seiner Verteidigung zu, dass sich die Einzel-Indizien auch anders erklären ließen. Wichtig sei aber die Gesamtschau aller Hinweise: «In der Summe gibt es bei der Gesamtwürdigung der Situation keinen Zweifel, dass Sie das waren», sagte er gegen Ende der mehr als zweistündigen Urteilsbegründung in Richtung des Angeklagten. Der Beschuldigte hatte im Prozess geschwiegen.

Schon mehrfach bestraft

Der aus dem emsländischen Lingen stammende Mann war bereits mehrfach bestraft worden, weil er Frauen sexuelle Gewalt angetan hatte. Als sich die Tat 2015 ereignete, saß er aufgrund eines Urteils wegen Vergewaltigung durch das Landgericht Aurich aus dem Jahr 2012 - zu vier Jahren und zehn Monaten Haft - zunächst im Gefängnis. Er kam wegen seiner Alkoholsucht in den Maßregelvollzug. Experten hatten zugestimmt, dass er seit Ende 2014 die Klinik immer wieder unbegleitet verlassen durfte.

An diesem Tag im September 2015 war er mit dem Rad unterwegs. Als er am frühen Abend in die Klinik zurückkam, bemerkte ein Pfleger Kratzer am Gesicht und am Hals. Seine Hose war schmutzig. Außerdem hatte er einen Bluterguss an einem Auge. Er sei mit dem Fahrrad umgestürzt und ins Dickicht gefallen, lautete seinerzeit die Erklärung des Mannes.

Für das Gericht in Osnabrück aber stand fest, dass sich der heute 54-Jährige zur selben Zeit im Klosterwald befand wie die 23 Jahre alte Studentin. Die naturbegeisterte junge Frau sei gerne alleine durch den Wald gegangen, stellte der Vorsitzende Richter fest. Sie habe zu diesem Zeitpunkt keine Beziehung zu einem Mann gehabt.

Andere Möglichkeiten «fernliegend»

Auch die während der Verhandlung zur Sprache gekommene Möglichkeit, das Opfer habe insgeheim als Prostituierte gearbeitet und sei von einem unbekannten Freier getötet worden, sei aus Sicht des Gerichts «fernliegend», betonte Frommeyer. Zeuginnen, die die junge Frau mit einem Mann gesehen haben wollten, hätten sich nach Einschätzung des Gerichts geirrt, betonte der Richter.

Die Tote war erst Tage später von ihrem Vater gefunden worden - bis auf eine Socke lag sie unbekleidet im Farn versteckt, etwa 100 Meter vom nächsten Waldweg entfernt. Aufgrund des Verwesungsprozesses hätten keine Feststellungen mehr getroffen werden können, ob die junge Frau vergewaltigt worden sei oder überhaupt Geschlechtsverkehr hatte. Für das Gericht stehe aber fest, dass sich die 23-Jährige nicht freiwillig mitten im Wald nackt ausgezogen habe, betonte Frommeyer. Das Opfer müsse sich gewehrt haben, dabei habe der Angeklagte die Kratzer und das Veilchen am Auge davongetragen.

Das entscheidende Indiz, welches das Gericht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugte, war ein Kaugummi-Einwickelpapier mit Blutspuren des Angeklagten, was in der Nähe der Leiche gefunden wurde. Das zeige, dass der Mann in der Nähe der jungen Frau gewesen sei. Zusammen mit den vorangegangenen Straftaten des Angeklagten, bei denen er wiederholt ihm unbekannte Frauen angegriffen, gewürgt und vergewaltigt hatte, sei das ein starker Hinweis, dass der Angeklagte auch in diesem Fall der Täter sein müsse, führte Frommeyer aus.

Es ist das dritte Urteil in diesem Kriminalfall. Zuvor hatte das Landgericht Verden den Mann 2017 wegen Totschlags zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein zweiter Prozess in Verden endete 2019 überraschend mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen. Auch dieses Urteil fochten die Familie und die Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich an. Der Fall wurde daraufhin nach Osnabrück verwiesen.

Das Urteil des Landgerichts Osnabrück ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig. Ob es angefochten werden soll, stand am Donnerstag noch nicht fest, sagte einer der Anwälte des 54-Jährigen.

© dpa-infocom, dpa:220317-99-558870/4