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Showdown vertagt
May übersteht Brexit-Machtprobe im Parlament

Theresa May
Theresa May spricht im britischen Unterhaus. Foto: Pa/PA Wire
Mit Zugeständnissen wendet die britische Premierministerin Niederlagen in der Parlamentsdebatte um das EU-Austrittsgesetz ab. Doch die proeuropäischen Abgeordneten lassen die Muskeln spielen. Das Ringen um die richtige Brexit-Strategie ist noch nicht zu Ende.

London (dpa) - Der britischen Premierministerin Theresa May stehen in Sachen Brexit-Kurs noch schwierige Zeiten bevor.

Zwar konnte sie am Dienstag und Mittwoch die befürchteten Niederlagen im Londoner Unterhaus im Streit um die Scheidung von der Europäischen Union abwenden, aber für einen hohen Preis: mit Zugeständnissen an EU-freundliche Abgeordnete in ihrer konservativen Fraktion.

Die zweitägige Debatte über Änderungen des Oberhauses am EU-Austrittsgesetz endete am Mittwochabend ohne größere Schlappe für die Regierung. Bei Abstimmungen lehnten die Abgeordneten sowohl Zusätze ab, die eine Mitgliedschaft Großbritanniens in der Zollunion mit der EU vorsahen, als auch Pläne, das Land im europäischen Binnenmarkt zu halten. Ein dauerhafter Sieg ist das aber nicht.

Denn bei den Abstimmungen zeigte sich ganz klar, dass die Premierministerin nicht in jedem Fall auf eine Mehrheit für ihren Brexit-Kurs setzen kann. May regiert seit der vorgezogenen Parlamentswahl im vergangenen Jahr mit hauchdünner Mehrheit. Sie steht von mehreren Seiten unter Druck; ihr Posten wackelt. Viele meinen, dass May nur deshalb noch Premierministerin ist, weil es in ihrer Partei an einer echten Alternative fehlt.

Medienberichten zufolge stimmten mehrere Abgeordnete ihrer konservativen Fraktion für eine Mitgliedschaft des Landes im Binnenmarkt. Auch die Opposition ist in der Frage zerstritten. Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte seine Fraktion zur Enthaltung aufgerufen. Berichten zufolge stimmten trotzdem weit über 70 Labour-Abgeordnete für den Binnenmarkt, 15 dagegen.

Die Abstimmung über eine Zollunion mit der EU fiel mit 298 zu 325 Gegenstimmen äußerst knapp aus. May hatte mit einer entschärften Version des Gesetzestextes zumindest ein «Zollabkommen» mit der EU in Aussicht gestellt und so proeuropäische Rebellen vorerst besänftigt.

Mitglieder einer Zollunion vereinbaren gemeinsame Zölle an ihren Außengrenzen, an den Binnengrenzen werden keine Abgaben erhoben. Grenzkontrollen für Waren sind überflüssig. Bliebe Großbritannien in der Zollunion, würde das vor allem die Frage nach einer festen Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland lösen. Bliebe Großbritannien gar im Binnenmarkt, würde sich mit dem Brexit nur wenig ändern. Die britische Regierung will bislang sowohl die Zollunion als auch den Binnenmarkt verlassen.

Bereits am Dienstag war May nur haarscharf einer Niederlage gegen die Opposition und EU-freundliche Rebellen aus ihrer Konservativen Partei entgangen. Es ging dabei um die Frage, ob das Parlament die Regierung an den Verhandlungstisch zurückschicken kann, sollte das Brexit-Abkommen bei den Abgeordneten durchfallen oder kein Abkommen zustande kommen.

May machte Berichten zufolge den Rebellen in ihrer Partei im letzten Moment große Zugeständnisse. Tags darauf säte sie jedoch Zweifel daran, wie weitgehend die Konzessionen waren. «Die Hände der Regierung in Verhandlungen können nicht vom Parlament gebunden werden, aber wir müssen dem Parlament Rechenschaft ablegen», sagte sie. Spekuliert wird daher über eine baldige erneute Rebellion der EU-freundlichen Kräfte im Parlament.

Das EU-Austrittsgesetz ist das Herzstück der Brexit-Gesetzgebung. Mit dem Gesetz soll die Geltung von EU-Recht in Großbritannien beendet werden. Gleichzeitig sollen alle EU-Bestimmungen in nationales Recht übertragen werden, damit am Brexit-Tag kein Chaos entsteht.

Der Gesetzentwurf geht derzeit im sogenannten Ping-Pong-Verfahren so lange zwischen Oberhaus und Unterhaus hin und her, bis sich beide Häuser über den genauen Wortlaut einig sind. Bereits am Montag nächster Woche soll der Gesetzentwurf wieder bei den Lords liegen. Das Ringen um den richtigen Brexit-Kurs ist noch lange nicht zu Ende.

Doch die Zeit rennt. Großbritannien wird am 29. März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen. Nicht nur in Großbritannien wird kräftig um den Brexit-Kurs gestritten - auch zwischen London und Brüssel. Die Verhandlungen sind zäh; Brüssel beklagte Stillstand.

EU-Unterhändler Michel Barnier will schon im Oktober das komplette Austrittsabkommen und eine Rahmenvereinbarung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien fertighaben. Mit Spannung wird daher auch auf den EU-Gipfel Ende Juni geblickt.